Ernst Loewy an seine Eltern, 7. Oktober 1936

Mittwoch, den 7.10.36.

Leider habe ich dieses mal schon wieder eine Bitte an Euch. Könnt Ihr mir vielleicht demnächst noch eine lange blaue Hose schicken? Es wird jetzt allmählich kalt morgens, so dass ich die kurzen Hosen bei der Arbeit nur noch ein paar Wochen anziehen kann. Andererseits kann ich natürlich den Manchesteranzug noch lange nicht tragen. Es tut mir überhaupt leid, dass ich nicht mehr lange Hosen mitgenommen habe. Die meisten Chawerim der Kwuzah tragen den ganzen Sommer hindurch lange Hosen. So viel kurze Hosen, wie man bei uns immer angenommen hat, werden hier überhaupt garnicht getragen - bei der Arbeit fast garnicht, meistens nur für gut. Während mir einerseits manches gefehlt hat, habe ich andererseits viel unnötige Sachen mitgebracht, wie z. B.: die hohen Lederstiefel, für die ich überhaupt garkeine Gelegenheit haben werde, sie jemals zu tragen, ebenso die schwarz-weisse Hose, auch den Anzug von Onkel Richard werde ich wohl kaum tragen, wenigstens die Hose. Wenn Ernst Lamm rüberkommen wird, schreibt mir das bitte rechtzeitig, damit ich ihm Ratschläge für die Ausrüstung geben kann. - Seid mir bitte nicht böse, wenn ich jetzt, nachdem Ihr schon so viel für mich bezahlt habt, immer noch Wünsche habe, aber es sind alles wichtige Sachen, die ich unbedingt brauche. Luftpostpapier schickt mir bitte alle 3-4 Wochen von selbst. - Gestern erhielt ich von Herbert einen Brief, in dem er mich einlud, wenn sein Freund Ferien hat, zu ihm zu kommen; also dasselbe, was mir Fritz schon erzählt hat. Ich habe gerade mein Bett frisch überzogen, was wir immer alle 14 Tage tun, und werde diese Nacht meinen neuen Schlafanzug einweihen. In 8 oder 14 Tagen wird hier eine grosse Feier sein, wegen unseres halbjährigen Hierseins, die Vorbereitungen dazu sind schon im Gange. Gestern abend hatten wir wieder eine grosse Sichah mit Georg Simon aus Jerusalem, mit dem wir die Sichahreihe über Wirtschaftsformen und Sozialismus haben. Die Sichoth sind ganz grossartig. Man schafft sich dadurch wichtige Grundlagen, auf denen sich einmal eine feste Lebensanschauung aufbauen kann, die wir heute alle noch nicht haben.