Kirjat Anavim, Montag, den 9.10.36.

Meine Lieben!

Besten Dank für Deine Karte lb. Pips aus Dortmund. Gestern habe ich Onkel Richard einen ausführlichen Brief geschrieben und zwar hauptsächlich über mich selbst, von der Kwuzah (meine Stellung dazu) und von den Unruhen. - Fritz hat, als er in Tel-Aviv war Herbert besucht und gesehen, dass es ihm gut geht, dass er allerdings viel arbeiten muss. Sein Chef ist übrigens ein Freund von Fritz. Herbert wohnt mit noch einem Jungen direkt bei seinen Tieren, die er pflegen muss. In einigen Wochen hat dieser eine Junge Ferien, und Fritz hat mir versprochen, dass ich dann einmal über Schabbath zu ihm fahren darf und habe ich dann ja Schlafgelegenheit dort. Aber ich will mich lieber noch keinen trügerischen Hoffnungen hingeben, denn es wird ja doch genausowenig daraus, wie aus meiner „Reise” nach Jerusalem. Fritz wird mich bestimmt gerne fahren lassen, aber ich weiss ja noch nicht was Jugendhilfe und Kwuzah dazu sagen. Also mal abwarten. - Wahrscheinlich komme ich doch wieder in den Gemüsegarten zurück. Ich würde mich sehr damit freuen udn die Arbeit im Winter ist ja eine ganz andere als im Sommer; aber auch das weiss ich noch nicht genau, also auch hier einmal abwarten. - Allmählich scheinen tatsächlich die Unruhen abzuflauen. Hier haben wir schon seit Wochen keinen Schuss mehr gehört und im ganzen Land ist es auch augenblicklich ruhig. [..]

Hoffentlich bleibt es so, vielmehr wird es besser. - Haben Franks ihr Geschäft verkauft? Was machen sie nun?

Augenblicklich lese ich ein großartiges Buch „Leonardo da Vinci“, worin ich das, was ich in der Kunstgeschichte gelernt habe, ein wenig anwenden kann. Ich habe jetzt so viel Freude und Interesse an jedem guten Buch und interessiere mich für alles, was Kunst und Literatur heisst. Nur ist es schade, dass ich nicht mehr Zeit habe. Oft wünschte ich mir, dass Ihr hier seid und ich mich ein wenig mit Euch darüber unterhalten könnte. Hoffentlich werden wir auch das bald wieder können. Ein Brief ist doch immer nur so kurz, dass man dort nur das Allernötigste schreiben kann. Und von dem auch nur die Hälfte.