Ernst Loewy an seine Eltern, 14. Januar 1937
Donnerstag, den 14.1.37.
Gestern erhielt ich von der Hubertusstr. eine Karte mit Rückantwort, die ich sofort an Onkel Sali schickte. - Pinchas, der vorläufig noch bei der Kwuzah [..] wohnt, kommt jetzt hin und wieder einmal zu uns rüber um sich schon ein wenig mit uns zu unterhalten. Wie lange Fritz noch hier bleibt, ist noch unbestimmt. - Kakel geht fort, sobald sie eine Stelle hat, die zu finden aber ziemlich schwer ist. Ich habe mich ein wenig mit Pinchas unterhalten und es stellte sich heraus, dass er mit Cläre Hilsenrath verwandt ist, allerdings ziemlich weitläufig; aber ihre Mutter würde er gut kennen. Sie selbst und Ernst hätte er schon in Krefeld besucht, als sie noch auf dem Westwall wohnten. - In der Zeitung werdet Ihr wohl gelesen haben, dass eine Abordnung der amerikanisch, jüdischen Arbeiterschaft nach Erez gekommen sei, um sich das Land anzusehen und mit den hiesigen Juden Verbindungen anzuknüpfen. Diese Leute waren heute auch hier, um sich den [..] anzusehen, und in jiddischer Ansprache wurden sie von der Kwuzah empfangen. - Fritz hat mir aus der Stadt meine Schuhe mitgebracht, die mir nun sehr gut passen - viel tragen allerdings werde ich sie doch nicht. - Die Kwuzah hat wieder eine Wagenladung Apfelsinen gekauft, diesesmal für ein halbes ₤P. einen ganzen Lastwagen voll. Die Apfelsinen liegen offen im Machsan, und jeder kann sich nehmen, soviel er will.
Und nun endlich zu Euren beiden noch unbeantworteten Briefen. Den Kamm habe ich leider bisher immer noch nicht erhalten; er scheint wohl verloren gegangen zu sein. - Draussen ist ein fürchterliches Wetter, es giesst in Strömen. Ich ziehe mittags jetzt immer meinen Manchesteranzug an, für die Arbeit brauche ich ihn garnicht. Warme Sachen habe ich natürlich genug, so dass Ihr mir nichts schicken braucht. Dass Ihr das Geld von Tante Mathilde und Onkel Sali in die Reisekasse getan habt, freut mich. Hoffentlich ist das Sparen nicht umsonst. Englisch lernen tun wir vorläufig alle noch nicht. Es ist garnicht so gut mehrere Sprachen auf einmal zu lernen. Das verwirrt mehr als es einbringt; und ausserdem ist das hebräische so wichtig, dass wir in der Zeit, in der wir Englisch besser Iwrith lernen würden. So besonders gut ist bei uns das Hebräische im Allgemeinen
schon nicht, und das Erlernen einer zweiten Sprache würde sicherlich mehr schaden als nutzen. - Was mir gerade noch einfällt - Mitte Februar kommt die Gruppe aus Kwuzath Schiller zu uns - wir müssen uns natürlich auch revanchieren. So, das wäre alles für heute.
Samstag, den 16.1.37.
Ich las gestern in einer deutschen Zeitung, daß bei Bilbao ein deutsches Schiff von den Spaniern beschlagnahmt worden ist. Wir verfolgen hier natürlich die Vorgänge in Europa mit dem grössten Interesse, bezw. mit grösster Besorgnis. Ein eventueller Krieg könnte uns Juden vielleicht unsere ganzen Hoffnungen in Erez zuschande machen. All zu rosig sehen wir hier alle nicht in die Zukunft. - Ich erhielt gestern Euer Luftpostpapier; ich habe jetzt so viel, dass ich wohl für ein viertel Jahr genug habe. Ihr braucht vorläufig keins zu schicken. Wenn ich neues brauche, schreibe ich Euch. Aber Kuverts brauche ich sehr dringend. - Neues habe ich heute nicht, ich will auch an die Hubertusstr. noch einige Zeilen schreiben. Seid also für heute vielmals geküsst von
Eurem Ernst.