Ernst Loewy an seine Eltern, 19. Januar 1937

(Mutti warum schreibst Du nicht? Schon 10 Tage ohne Post).
Viele Grüße Ilse

Kirjat Anavim, Dienstag, den 19.1.37.

Meine Lieben!

Euren lb. Brief vom 8.1.37., 10 M und die Kuverts habe ich unterdes erhalten. Recht vielen Dank.

Zu dem Tode Deines lb. Bruders mein herzliches Beileid, lb. Vater. Der Herrgott schenke ihm die ewige Ruhe. Die Botschaft hat mich tief erschüttert, weniger eigentlich des Todes wegen meines lb. Onkels, dem es jetzt sicherlich besser ergeht als auf Erden, sondern meines Vetters wegen, der in kurzer Zeit seine beiden Eltern verlor und jetzt alleine als Waise in der Welt steht. Wie fürchterlich. Wie wird ihm zu helfen sein? Hat er Verwandte, die ihm helfen können? Deine Geschwister werden leider nicht viel tun können. Oder Ludwig?

Pinchas ist gestern zu uns herübergezogen, er wird vorläufig mit Fritz zusammen die Sache leiten und nach 14 Tagen bis 3 Wochen voraussichtlich wird Fritz weggehen. Heute hat Pinchas den Unterricht schon alleine gemacht, da Fritz in der Stadt ist. Er ist jede Woche übrigens einmal gefahren, da er in Jerusalem an der Universität einen Kursus mitgemacht hat. Wann Kakel geht, weiss sie selber noch nicht, das ist alles davon abhängig, wann sie eine Stelle bekommt. - Gestern abend war der Junge wieder hier vom Konservatorium in Jerusalem um den musikalischen Kursus fortzusetzen. Wir sprachen über die Musik im alten Griechenland und Rom um in der nächsten Stunde auf die Kirchenmusik zu sprechen zu kommen. - Die Kuverts, die Ihr mir geschickt habt, sind leider sehr schwer, so dass ich von jetzt an nur noch 3 Bogen schreiben kann, da sonst die Briefe sicherlich überwiegen. Ich werde dann von jetzt an etwas kleiner schreiben und dann wird es schon auf dasselbe rauskommen. - Vor ein paar Tagen war der Zahnarzt wieder bei uns und hat uns vorgelesen aus Thomas Mann's „Geschichten Jaakobs“, dem ersten Band der Josefstrilogie (übrigens erscheint bald noch ein vierter Band). - Am Schabbath lasen wir zusammen aus „Der kleine Prophet“ von Edmond Fleg, einem sehr hübschen Buch. - Ich habe Hunger und werde jetzt zum Abendessen hinübergehen und muss nun Schluss machen für heute.