Ernst Loewy an seine Eltern, 9. Februar 1937
Kirjat Anavim, den 9.2.37.
Meine Lieben!
Besten Dank für die Karte aus Borghorst vom 28.1. und den Brief aus Krefeld vom 29.1. Bevor ich darauf eingehe, will ich Euch erst einiges von hier schreiben. Erfreuliche Neuigkeiten diesmal. Gestern war ich in der Stadt. Pinchas ist für 14 Tage zu einem Seminar für alle Jugendalijahführer in Tel-Aviv gefahren. Er wird zu Max Lang gehen, um diesem Grüsse von mir zu bestellen und Ilse's Füllhalter abzuholen. Da Pinchas nun nicht da ist, fällt mittags fast der ganze Unterricht aus, und da bin dann gestern mittag mal in die Stadt gefahren. Zuerst wollte ich zu Fritz gehen, dieser war aber nicht dan, sondern auf dem Wege zu uns. Er hat unterdessen geheiratet und will morgen seine Hochzeitsreise anfangen und wollte vorher noch einmal mit seiner jungen Frau zu uns kommen. Ich wusste, dass er kommen wollte, dachte aber er käme erst am Abend. Er war aber schon am Mittag gekommen und ist dann bis heute morgen hier geblieben. Gestern abend hatten wir noch eine kleine Feier. Zu seiner Hochzeit hatten wir ihm ein Geschenk geschickt: für beide zusammen eine schöne Schreibmappe, für Fritz einen Pantoffel und für sie eine Haube. Fritz hat gesagt, sobald sie eine Wohnung hätten, sollte ich über Schabbath einmal zu ihnen kommen. Vorläufig wohnen sie bei Verwandten von ihr im Abessinienhaus, wo ausser dem Konservatorium auch noch Wohnungen vermietet sind.
Nun zu meiner Fahrt zurück. Ich war also in seiner Wohnung im Abessinienhaus, fand aber leider Fritz nicht vor, dafür sah ich aber eine Menge Abessinier - interessante Typen. Das Konsulat besteht natürlich jetzt nicht mehr, das Haus ist aber Privateigentum des Konsuls. Dann bin ich nach Rechaviah rausgegangen um Dr. Hirsch wieder zu besuchen. Frau Dr. Hirsch versprach mir, wenn gutes Wetter sei, am kommenden Schabbath zu mir zu kommen. Dann habe ich noch einen kleinen Spaziergang gemacht, habe mir das Gebäude der Jewisch Agency einmal genau angesehen (in dem Gebäude ist unter anderm auch das Hauptbureau der Jugendhilfe). Dann bin ich zum Hotel „King David” gegangen, von wo man einen schönen Blick auf die Altstadt hat. Gegenüber dem Hotel ist das Vereinshaus des „Vereins christlicher junger Männer”, eines
der schönsten Häuser von ganz Jerusalem - innen sollen fabelhafte Turnhallen sein und sogar das einzige Hallenschwimmbad von ganz Palestina. Und dann bin ich zur „Tnuvah” gegangen, habe mich ins Auto gesetzt und bin nach Hause gefahren, wo ich dann das junge Ehepaar schon vorfand.
Donnerstag, den 11.2.37.
Das Wetter ist unterdessen wieder so schön geworden, dass ich heute das erste Mal schon wieder kurze Hose mit Polobluse trage. Den eigentlichen Winter haben wir überstanden, wenn auch die Regenzeit noch nicht ganz zu Ende ist. Nun zu Eurer Post: Mit den Apfelsinen ist es nun auch ziemlich aus. Mittags zu Tisch bekommen wir mal eine einzelne, aber drin wühlen können wir schon nicht mehr. Du, lb. Mutter, willst überhaupt einmal wieder etwas über das Essen hören. Da will ich Dir wieder einmal einen Speisezettel aufschreiben. Z. B.: morgens - Tomate, Weichkäse, Butter; Mittags - Kartoffelpüree, weisse Bohnen, Fleisch, Apfelsinen und Suppe; abends - Tomatensalat, ein paar Scheiben Wurst und Schmalz oder Kartoffeln Butter und Sprotten oder Erbsen, Spiegelei und Kuchen. Am Abend ist das Essen immer am leckersten. -
Was Ihr von neuen Unruhen in der Z.V.-Zeitung gelesen habt, ist Unsinn. Es passieren hier in Palästina dauernd kleinere Zwischenfälle; nach den letzten Unruhen vielleicht ein wenig häufiger als gewöhnlich - das ist alles. Man ist hier noch nicht im zivilisierten Europa. Die Araber sind zum größten Teil noch Halbwilde. Ein Beispiel - es kommen hier häufig Araber her, auch aufs Feld, zum grössten Teil Leute aus Beth Nakuba, unserm benachbarten Dorf, Menschen, die hier in der Kwuzah bekannt sind. Da haben wir einmal einen Araber gefragt, wie alt er ist, worauf er sagte, zwischen sechzig und siebzig - genauer wüsste er es nicht. - Das sind natürlich keine zivilisierten Menschen, und da kommt selbstverständlich dauernd mal etwas Rechtswidriges vor - ohne dass es direkt „Unruhen“ sind. - Frau Kfm. ist nicht nur der zweite Elternbesuch, sondern erst der dritte; der erste war Mendel, der zweite Frau Brotzen, die schon hier ist, mit Heinz vorläufig aber noch auf einer Fahrt durchs Land ist, und am Montag wird Frau Kfm. kommen, die wahrscheinlich auch bevor sie herkommt noch mit Küken sich die Gegend von Haifa bis Deganiah ansieht. - Von Zvi Ballhorn habe ich schon lange nichts mehr gehört, obwohl ich ihm in der Zwischenzeit noch zweimal geschrieben habe. - Manfred M. liegt immer noch im Krankenhaus und hatte bis vor wenigen Tagen noch über 40° Fieber.