Ernst Loewy an seine Eltern, 15. Februar 1937
Kirjat Anavim, den 15.2.37.
Meine Lieben!
Heute an Deinem Geburtstage lb. Pips will ich Euren Brief vom 5.2. beantworten, den ich gestern erhielt. Falls Du nicht auf Tour bist, wirst Du jetzt (es ist 1 Uhr) bei Tisch sitzen und als Nachtisch ein gutes Stück Käsekuchen essen. Guten Appetit! - Heute ist auch Frau Kaufmann in Haifa angekommen, doch will Küken erst mit ihr etwas fahren, bevor sie wieder herkommen. Chajim, der seine Mutter vorige Woche abgeholt hatte, ist gestern wiedergekommen - seine Mutter wird heute kommen. Wenn Du lb. Pips mich besuchen kommst, kannst Du mir allerdings einiges mitbringen. Einen Mantel habe ich nicht so nötig, da ich ihn ja doch nur wenige Tage im Jahre trage. Falls Ihr aber bei Spanier eine schwarze Kletterweste sehr billig bekommen könntest, könnt Ihr sie eventuell kaufen. Sonstige Wünsche werde ich Euch noch mit der Zeit schreiben. Bis dahin werde ich wohl einiges neue gut gebrauchen können. Noch eines, was sehr wichtig ist, musst Du mir, wenn es irgendwie geht, mitbringen, nämlich den grossen Koffer, da meine Kiste schon längst den Weg alles Irdischen gegangen ist und ich nach zwei Jahren nichts mehr habe, worin ich meine Sachen verpacken kann. Vielleicht kannst Du mir den Koffer leer mitbringen. Das wird wohl nicht viel Fracht kosten. Dann würde mich interessieren, ob Du mir viele Bücher mitbringen kannst oder nur einzelne (eventuell in dem Koffer). Aber grosse Gedanken braucht man sich ja schliesslich noch nicht über das Mitbringen zu machen. Zum mindesten haben wir ja noch ein halbes Jahr bis dahin. - Das Bild von Lore habe ich noch nicht erhalten. - Manfred geht es jetzt wieder besser, doch muss er zum mindesten noch 3 Wochen im Krankenhaus bleiben. Es kann auch eventuell noch ein Rückschlag eintreten. Woher der Typhus kommt, ist nicht bestimmt - am Wasser liegt es wahrscheinlich nicht, eher noch an ungekochter Milch, die er eventuell getrunken hat. - Die Gruppe aus Kwuzath Schiller wird doch nicht kommen, weil sie nicht genügend Geld haben, so dass also das zweite Treffen ausfällt. - Die Buddenbrooks, die mir ausgezeichnet gefallen haben (ich habe überhaupt Thomas Mann sehr gerne), habe ich ausgelesen, und lese ich jetzt von Stendhal „Rot und Schwarz“, ein Buch, von dem Nietzsche gesagt hat, dass es das „letzte Ereignis in der französischen Literatur“ sei. Für heute genug. Pinchas wird heute abend oder morgen wahrscheinlich wiederkommen.
Viele herzl. Grüße Ilse.