Ernst Loewy an seine Eltern, 23. Februar 1937
Kirjat Anavim, den 23.2.37. Dienstag.
Meine Lieben!
Ich erhielt indessen Euren lb. Brief vom 13. ds. mit Bild, Eure Karte vom 15. und einen Brief von Tante Tinni. Auch sie schrieb mir, ich solle einmal die Eltern des Dr. Benno Grimfelder besuchen. Ich habe vorhin bei Dr. Gr. antelefoniert und die Adresse erfahren. Die Telefonnummer war übrigens falsch. Jedenfalls weiss ich jetzt die Adresse. Er wohnt mit seinen Eltern zusammen auf der King-Georgestr. Ecke Bezalelstr., mitten in der Stadt, wo ich schon oft vorbeigekommen bin. Wenn ich demnächst wieder einmal in die Stadt fahre, werde ich die Leute einmal besuchen.
Frau Kaufmann ist noch nicht hiergewesen, doch hat Küken mir die Sachen schon alle mitgebracht - ich danke Euch recht herzlich dafür. Beide Paar Schuhe passen ausgezeichnet und haben mir viel Freude gemacht. Frau Kaufmann wohnt in Jerusalem in einem Hotel und wird dieser Tage wohl einmal rauskommen. Frau Brotzen war nur einen einzigen Tag hier und ist jetzt noch für ein paar Wochen in Tel-Aviv, wird also Frau Kfm. wohl kaum sprechen. - Manfred geht es leider nicht gut. Sein Zustand hat sich in den letzten Tagen so verschlimmert, dass Lebensgefahr besteht. Eventuell muss eine Bluttransfusion gemacht werden. Bei 5 Chawerim der Kwuzah ist zu diesem Zwecke schon das Blut untersucht worden. Er hat zum Teil sehr hohes Fieber und ist nicht immer bei Verstand. Der alte Mendel ist natürlich in grösster Aufregung - nach Essen schreibt er natürlich nichts davon. Hoffen wir, dass alles noch zum Guten endet. - Über Deinen Brief, lb. Pips, bin ich nun beruhigt. Gott sei Dank ist alles wieder gut, und brauche ich mir keine unnötigen Sorgen zu machen. Hoffentlich ist sonst auch alles in guter Gesundheit und geht es dem lb. Grossvater auch wieder besser. Von mir kann ich nur das beste berichten; ich bin frisch und munter wie ein Fisch im Wasser.
Donnerstag, den 25.2.37.
Heute am Purim, will ich Euch weiter schreiben. Von Purim haben wir noch nichts gemerkt. Eigentlich wollten wir eine kleine Feier machen mit Kostümen (als Araber) oder so etwas. Aber da Manfred immer noch schwer krank ist, lässt sich im Augenblick so etwas nicht machen und werden wir also kaum etwas
Purim merken. In Tel-Aviv wird wohl grosser Trubel sein. Schade, dass ich nicht dort bin. - Gestern war Frau Kaufmann hier und zufällig auch Frau Brotzen; haben sich beide also doch kennengelernt. Frau Kfm. war nur ein paar Stunden hier, sie hat mir prima von Euch bestellt. Sie wird natürlich noch öfter rauskommen und wird Euch von hier dann wohl allerlei zu erzählen haben. Besonders für Euch habe ich ihr wohl kaum auszurichten, da ich Euch über alles schon recht ausführlich geschrieben habe. - Die Arbeiten am Elektrischen Licht, gehen nun schnell voran. Die letzten grossen Masten in der Kwuzah sind schon aufgestellt. Auf dem letzten Mast wird der Transformator angebracht, der die Spannung über Überlandzentrale von 6000 Volt auf 220 Volt umwandelt. Die kleine Spannung wird dann auf kleineren Masten in die einzelnen Häuser geführt. Die Arbeiten bis zur Aufstellung des Transformators und der Beendigung der Überlandzentrale werden von Regierungsarbeitern ausgeführt. Die Arbeiten nach dem Transformator macht ein Installateur, der schon angefangen hat in einzelnen Gebäuden die Leitungen zu legen, in der Schule, Kindergarten und Chadar Ochel. Die Wohnhäuser werden wahrscheinlich erst vor dem nächsten Winter Licht bekommen. - Am letzten Schabbath hat der Zahnarzt uns einen Vortrag über Heine gehalten, über den er auch einmal ein Essays geschrieben hat. Die Stunden Kulturgeschichte, die er uns gibt sind überhaupt hervorragend. Zuerst hat er mit uns gesprochen über die Fragen: Was ist Kultur, Kunst, Wissenschaft, Entstehung der Kultur u.s.w und hat in der letzten Stunde mit der eigentlichen Geschichte angefangen und zwar mit dem alten Ägypten. - Noch ein wenig über die Arbeit. Wir haben jetzt ein wenig Salat gesät und Erbsen. Den Blumenkohl, den wir in den ersten Tagen unseres Hierseins vor nicht ganz einem Jahr gepflanzt haben, fängt an zu reifen und haben wir schon die ersten Köpfe in die Stadt geschickt. Bald pflanzen wir wieder neuen, der schon in den Mistbeeten gesät ist. Übrigens ein Zeichen, dass wir schon ein Jahr hier sind - schon die zweite Aussaat. Und Tomaten sind schon in den Mistbeeten gesät; bis diese aber gepflanzt werden, werde ich wohl kaum noch beim Gemüse arbeiten.