Ernst Loewy an seine Eltern, 4. März 1937

Donnerstag, den 4.3.37.

Kurz nachdem ich am Dienstag meinen Brief geschrieben hatte, kam Frau Kaufmann her, die an meinen Brief dann noch einen Gruss angeschrieben hat. Sie brachte mir, wie sie sagte auf Vaters Bitte, eine kleine Leberwurst mit, mit der ich mich natürlich riesig gefreut habe. Wir haben dann im Zimmer noch ein zweites Abendessen gegessen mit geklauter Butter und Brot, was bei uns übrigens des öfteren vorkommt; so jede Woche einmal mit Ölsardinen, Eiern u.s.w, was man so grade mal hinten herum verschwinden lassen kann. Frau Kfm. sagte, sie käme noch einmal heraus, Küken solle lieber öfters in die Stadt fahren.

Und nun zu Eurem Brief: Du schreibst, lb. Pips, dass Du eine Bücherkiste von Onkel Willi zum Verkauf bekommen hast. Besteht eventuell die Möglichkeit, einige Bücher zu behalten und mir später mitzubringen? Falls die Möglichkeit besteht, hätte ich besonderes Interesse für folgende Bücher, die eventuell dabei sein könnten: eine kleine Weltgeschichte, eine Kunst- und Literaturgeschichte (event. Kulturgeschichte), alle Werke von Thomas Mann, Nietzsche, Romain Rolland (Johann Christoff). Vielleicht ist etwas von diesen Büchern dabei und wäre es möglich, sie mir mitzubringen. Falls Du kommst musst Du, wenn es nur eben geht, sowieso Deinen Bücherschrank gewaltig ausräumen. Hoffentlich bist Du einverstanden?!

Allmählich wird es jetzt ein Jahr, dass ich fort bin und doch kommt mir die Zeit immer noch so kurz vor. Ich erinnere mich z.B.: an die letzten Tage bei Euch und an die Tage in München als ob es erst gestern wäre. Heute vor einem Jahr war mein Gepäck schon fort, am 8. März musste es in Wuppertal beim Spediteur sein. Ihr seht, ich erinnere mich an alles noch recht genau. Die Arbeiten für die grosse Einjahresfeier ist schon fest im Gange - hoffentlich klappt es, und ist die Lage im Lande so, dass wir sofort danach auf Fahrt gehen können. Es ist ja leider in den letzten Wochen wieder allerhand passiert, so der Mord an Heinz Brock aus Düsseldorf, den unsere Düsseldorfer übrigens gut kannten. Aber trotz all der neueren Vorkommnisse darf man keinesfalls von Unruhen reden. Der Friede in Palästina sieht ein wenig anders aus als in Deutschland. Aval ejn derech, jihje mah sche- jihje Es komme, was kommen soll.