Ernst Loewy an seine Eltern, 9. März 1937
Kirjat Anavim, den 9.3.37., Dienstag.
Meine Lieben!
Recht vielen Dank für Euren Brief vom 25.2. mit Antwortschein und Kupferstich, für den ich Euch vielmals danke und mit dem Ihr mir sehr viel Freude gemacht habt. Ich weiss allerdings kaum, was der Stich vorstellen soll - den Zahnarzt, den ich gefragt habe, glaubt, dass es Aron vorstellen soll.
Nun zuerst das Wichtigste. Wir arbeiten diese Woche den ganzen Tag, weil die Kwuzah für einige Tage besonders viele Arbeiter nötig hat, da augenblicklich auf dem Weinberg sehr viel Arbeit ist. Morgens arbeiten wir wie immer und mittags auf dem Weinberg - Zweige auflesen und Hacken. Der Unterricht fällt natürlich aus. Es ist jetzt das erste Mal in meinem Leben, dass ich volle 8 Stunden arbeite, besonders anstrengend ist es garnicht. Morgens arbeiten wir von ½ 7 bis ½ 12 und mittags von ½ 2 bis 5. Durch die Arbeit haben wir mittags ungefähr eine Stunde Freizeit weniger, wofür wir aber die ganze Woche abends frei haben. - Von Manfred lauten die Nachrichten Gtt. sei Dank, besser. Sein Fieber ist gesunken und der Puls ist wieder normal. Allem Anschein nach hat er die Krisis überwunden und befindet sich ausser Gefahr. - Das Wetter ist grossartig, alles ist voller Blumen. Sogar die Apfelbäume fangen schon an zu blühen. Garnicht mehr lange, so beginnt die Ernte schon wieder. - Gestern haben wir wieder Gurken gesät, schon das zweite Mal seit ich hier bin, und in acht Tagen pflanzen wir schon wieder Blumenkohl. Mit der diesjährigen Ernte ist es schon wieder aus. Es hat sich nicht gelohnt. Ich hatte Euch einmal geschrieben, dass wir die verlausten Blätter alle einzeln abwaschen mussten. Ich glaube wir haben damals mehr an Seife und Neft ausgegeben als der ganze Kohl wert ist.
Donnerstag, den 11.3.37.
Gestern ist eine Gruppe der „Noar Owed” von ungefähr 10 Leuten hierhergekommen, die auch längere Zeit hierbleibt - alles Jungen in unserm Alter, die aber den ganzen Tag arbeiten und eine Stunde Unterricht am Tage haben. Sie wohnen mit den Chawerim zusammen in den Holzbaracken. Die „Noar Owed”
ist eine ähnliche Institution wie die Jugendalijah. Sie hat das Ziel arme Kinder von unbemittelten Eltern aus der Stadt auf dem lande in den Kwuzoth anzusiedeln, bezw. landwirtschaftlich auszubilden um ihnen die Möglichkeit zu geben, später (wie die Jugendalijah) auf Hitjaschwuth zu gehen. Es gibt schon mehrere solcher Kwuzoth der „Noar Owed” im Lande. Sie bestehen meistens aus „Zabres” (Kinder, die in Palästina geboren sind) oder Kindern, die schon seit vielen Jahren im Lande sind, d. h. zum mindesten schon gut Iwrith können. Es ist vielleicht ganz gut für uns, wenn wir mit diesen Jungen zusammenkommen, da wir dadurch viel Iwrith lernen können. Einer von den Jungen arbeitet auch bei uns im Gemüsegarten. - Und nun zu Eurem Brief: Bei Euch scheint das Wetter ja noch recht mies zu sein, bei uns ist das schönste Wetter schon vorüber. Es ist jetzt um die Mittagszeit schon unangenehm heiss, dass man bei der Arbeit schon recht ins Schwitzen kommt. Die schönste Frühlingszeit dauert hier kaum vier Wochen. - Dass Tante Debora gekommen ist, ist ja recht nett, hoffentlich habt Ihr ein paar schöne Tage verlebt. Wenn Ihr wieder nach Eindthoven schreibt, recht viele Grüsse von mir. - Manfred ist nun Gtt. sei Dank auf dem Wege zur Besserung. Lebensgefahr ist endgültig vorüber. Bis er allerdings wieder herkommt, wird schon noch einige Wochen dauern - vorher kommt er auch noch für einen Monat nach Moza. Frau Mendel ist schon auf dem Schiff und wird wohl bald ankommen. Wahrscheinlich kein freudiges Wiedersehen. - Du schreibst, lb. Pips, dass es wahrscheinlich nicht gut wäre, mir wegen des überflüssigen Gepäcks viele Bücher mitzubringen. Das ist nicht schlimm. Hier in Kirjat Anavim könnte ich event. meine Sachen so lange lassen, wie ich wollte, und auch in Jerusalem würde Fritz mir schon in solchen Dingen helfen - da mache ich mir keine Sorgen drum. Wenn der Zoll keine Schwierigkeiten macht, bringe mir nur
recht viel mit. Ich werde Dir später einmal genau schreiben, was ich alles haben möchte. Erkundige Dich vor allen Dingen einmal danach, ob unter Onkel Willis Büchern welche der im vorigen Brief beschriebenen sind. - Die Arbeiten an der elektrischen Leitung sind feste im Gange. Die Überlandleitung ist soweit fertig - es fehlt nur noch der Transformator. Auch in der Kwuzah liegt die Leitung schon in vielen Gebäuden, sogar schon auf dem Klosett. Und nun Schluss für heute, gleich ist es ½ 2 und ich muss an die Arbeit. Eigentlich soll ich mittags auf dem Weinberg arbeiten. Aber von den 30 Leuten, die „eigentlich” dort arbeiten sollen, werden dreiviertel doch meistens zu andern Arbeiten weggechappt - so arbeite auch ich heute mittag wieder beim Gemüse - übrigens mir bedeutend angenehmer als bei dieser Chamsine auf dem Weinberg hacken.
Samstag, den 13.3.37.
Gestern erhielt ich Deine lb. karte aus Meschede vom 4.3.37., für die Dir herzlichst danke. Die Antwortkarte habe ich an Dr. Bluhm geschrieben. - Kakel ist heute hier um uns zu besuchen - sie ist sehr zufrieden und geht es ihr ausgezeichnet in der Stadt. Sie erzählte mir unter anderem, dass Frau Dr. Hirsch, die ich einmal besucht habe, Lehrerin am Konservatorium ist, was ich noch garnicht wusste. -
Fritz hat mich durch einen Chawer von mir, der bei ihm war, eingeladen ihn am nächsten Schabbath zu besuchen - er wird unterdes aber selbst noch einmal herkommen.
Unsere Zeitung, zu der die Vorbereitungen so ziemlich fertig sind, wird morgen „in Druck gehen” - und zwar werden in der „Tnuvah” auf einer Abziehmaschine 50 Exemplare, natürlich auf Iwrith hergestellt. Die Zeitung wird später an alle Jugendalijahgruppen u.s.w. geschickt.
Nun Schluss für dieses Mal. Seid recht vielmals
gegrüsst und geküsst von Eurem Ernst.