Ernst Loewy an seine Eltern, 22. März 1937
Kirjat Anavim, Montag, den 22.3.37.
Meine Lieben!
Besten Dank für Euren lb. Brief vom 13.3., Deine Karte aus Münser, lb. Pips, vom 11.3. und für 10 M.
Heute am 22. März ist es ein ganzes Jahr her, seit ich Euch verlassen habe. Es ist jetzt mittags um eins. Vor einem jahr, es war schon ein paar Stunden nach dem Abschied, sass ich in der Eisenbahn; es war wohl in der Nähe von Worms. Ich hatte schon eine wundervolle Fahrt, den ganzen Rhein hinauf, hinter mir, und war voller Erwartungen all der Dinge, die in den kommenden Tagen folgen sollten. Und was für Dinge folgten! Was habe ich alles in den kommenden zwei Wochen gesehen. Schon so und so oft habe ich Euch über all die Erinnerungen geschrieben, und immer stehen sie noch so lebendig vor meinem Auge, als wäre es erst ein paar Tage her. Um diese Zeit sah ich das letzte Mal den Rhein, bei Ludwigshafen und Mannheim. Ich kam aus der engeren Heimat heraus, um drei Tage später, meine weitere Heimat, Deutschland, ganz zu verlassen. Die schönsten Stunden meiner Reise hatte ich noch vor mir. Ich glaube, es war in München. Der Besuch des Deutschen Museums in München war einer der schönsten Erlebnisse meines ganzen Lebens. Und dann die Fahrt zum Tegernsee. Ich erinnere mich an die winzigsten Kleinigkeiten der damaligen Tage. Ich könnte Euch noch sagen, was ich z. B. bei der Eisenbahnfahrt mit zu essen hatte. Es waren vor allen Dingen Leberwurstbrötchen und Florentiner. Ich habe sonst nie ein so gutes Gedächtnis, aber die damaligen Tage sind noch immer so stark in meiner Erinnerung, dass ich sogar die Kleinigkeiten mein ganzes Leben nicht vergessen werde. - Ich sehe schon, meine nächsten Briefe werden voll von Reiseerinnerungen sein. Es ist auch zu schön, so mit beiden Händen hineingreifen zu können um sie jedesmal wieder gefüllt mit schönen Erinnerungen hinausziehen zu können. Für jetzt will ich Schluss machen. Ich habe gleich Iwrith und will Euren Brief dieser Tage beantworten.