Ernst Loewy an seine Eltern, 26. März 1937
Freitag, den 26. März 1937.
Augenblicklich ist alles in grosser Vorbereitung zu Pessach - schon seit ein paar Stunden alles in grösster Aufregung - das Haus wird sauber gemacht, man wäscht sich, zieht sich um. Ich bin mit dem ganzen Trubel Gtt. sei Dank schon fertig und will noch vor dem Sederabend ein wenig mit Euch plaudern. Neues habe ich Euch auch heute nicht zu erzählen, ausser, dass heute abend ein grosser Sederabend ist, nicht nach der traditionellen Form; es werden allerdings ein paar Stücke aus der Hagadah vorgelesen, aber die Hauptsache bilden doch Aufführung der Kinder, Chöre, Reden u.s.w. -
Da von hier doch nichts neues mehr zu berichten ist, will ich Euch auch heute noch ein wenig von meinen Reiseerinnerungen schreiben. Heute vor einem Jahr haben wir uns in München getroffen und haben die grossartige Reise durch die Alpen nach Italien gemacht. Von der eigentlichen Reise war dies der schönste Tag. Österreich, Jugoslawien, Italien, ich hätte mir früher nie träumen lassen, dieses alles selbst einmal zu sehen - die Alpen, die Tauern, den Grossglockner, Bad Gastein, all die bekannten Namen. All das habe ich vor einem Jahre gesehen. Und nachher Italien. Ich weiss noch, wie ich in der Ferne den Leuchtturm von Triest gesehen habe und dann das Meer, dann noch eine Nacht, und dann am nächsten Tage - Abschied von Europa unter Fahnenwinken und beim Absingen des Hatikwah auf jüdischem Schiff. Ein klein wenig wehmütig war mirs doch ums Herz. Und dann kam die schöne Seereise, aber die feiert erst in der nächsten Woche ihr einjähriges Jubiläum. Für diese Woche will ich schliessen. Mit vielen Grüssen und Küssen
Euer Ernst.