Ernst Loewy an seine Eltern, 1. April 1937

Donnerstag, den 1. April 1937.

Die „Ferien” haben angefangen. Heute haben wir den letzten Tag gearbeitet und haben nun fast 3 Wochen frei. Wir sind heute mit der Feldernte fertig geworden und ist die Hauptarbeit in den nächsten Monaten beim Gemüse, Tomaten- und Blumenkohlpflanzen, sowie Gurkensäen. Augenblicklich ernten wir noch Rettich, Rote Rüben und Zwiebeln. - Und nun zu Eurer Post. Zuerst fällt mir bei Euren Gut-Jontef-Wünschen ein, dass auch ich vergessen habe, Euch zu den Feiertagen zu gratulieren und will ich das hiermit, wenn auch in den letzten Tagen, nachholen. - Aus den letzten Briefen ersehe ich nun deutlich, dass Deine Reise lb. Vater, tatsächlich im Gelingen ist. Dass auch ich mich riesig freue, kannst Du Dir denken. Wir werden uns zusammen das Land ansehen, und die andere Zeit wirst Du hier wohnen, nicht wie Frau Kfm. in Jerusalem. Wie ist das übrigens mit Frau Wertheim? Ich habe keinesfalls Lust mit Dir und Ilse und Frau Wertheim etwa durchs Land zu fahren. Die Zeit, die Du hier bist, möchte ich dich ganz für mich alleine haben. Es ist doch anzunehmen, dass Du und Frau Wertheim zusammen kommt? Schreib mal bitte darüber. - Du schreibst etwas über Zeichnen. Wir haben zwei Leute hier in der Gruppe, die sehr hübsch zeichnen können und sich sehr viel damit beschäftigen. Übrigens haben wir in der Kwuzah eine junge Bildhauerin mit einem ungeheuren Talent, die aber bald nach Paris geht - sie wäre auch dumm, wenn sie hier bleiben würde. - Dass die Bücher, die ich Dir aufgeschrieben habe, nicht dabei sind, tut mir sehr leid, es sind gerade die Sachen, die mich am meisten interessieren, besonders Thomas Mann - vielleicht könnt Ihr irgendwie einmal billig an so etwas drankommen. Vor allen Dingen müsst Ihr mir den Tonio Kröger besorgen. Es gibt kein Buch, das ich so gerne habe wie dieses. „Krieg und Frieden” haben

wir selbst hier und brauchst Du mir dieses nicht mitzubringen. Augenblicklich lese ich Ibsen, der mir sehr gut gefällt. Ich las bis jetzt: „Puppenheim”, „Stützen der Gesellschaft”, „Gespenster” und den „Volksfeind”, von denen mir besonders das letzte sehr gut gefallen hat. - Du fragst, lb. Mutter, wie mir Pinchas gefällt. Es ist ein netter Kerl, mit dem man sehr gut auskommen kann, und der ein grosses jüdisches Wissen hat. An Fritz allerdings kommt er niemals ran. Einen so feinen Menschen wie Fritz, werden wir niemals wieder bekommen.

Samstag, den 3.4.37.

Heute vor einem Jahre waren wir nun schon in Kirjath A. Gestern abend hatten wir eine kleine inoffizielle Feier gemacht und heute abend findet die grosse offizielle Feier statt. Es werden wohl eine ganze Menge Gäste kommen. Eventuell auch Hardy Swarsensky, der deutsche Mak.-Haz.-Führer, der sich augenblicklich im Lande befindet als Vertreter des deutschen Bundes auf dem Mak.-Haz.Welttreffen, das in einigen Tagen in Kfar Makkabi stattfinden wird, und an dessen Eröffnung wahrscheinlich auch wir dort sein werden. Auch Rülps ist schon seit einigen Tagen hier. Es wird wohl eine ganz große Sache werden. Miss Szold wird kommen mit noch 10 Leuten von der Sochnuth (Jew. Agency). Dann wird auch Fritz kommen mit seiner Frau. Ich werde Euch morgen event. noch einmal eine Karte schicken, da ich den Brief heute fortschicken will, und müsst Ihr dann überhaupt für 14 Tage mit Karten vorlieb nehmen. Montag morgen fahren wir von hier mit dem Auto sofort nach Afuleh mitten ins Emek, und von dort aus werden wir das meiste zu Fuss machen. - In wenigen Wochen erhaltet Ihr aus Merseburg ein paar Negative, die Ihr mir bitte zurückschickt mit je einem Abzug für mich. Es ist erstens ein Bild von unserm Weinberg, zweitens von der Altstadt in Jerusalem, drittens von unserer gepachteten Quelle und viertens ein Bild hinter unserm Hause aufgenommen mit mir, Pinchas und noch einem Jungen aus unserm Zimmer. Schickt bitte die Negative sofort zu mir, da ich sie mir geborgt habe. - Und nun Schluss für heute. Nochmals viele Glückwünsche zum Geburtstag und viele Grüsse und Küsse von Eurem
Ernst.

Vor einigen Tagen erhielt ich 10 M.