Ernst Loewy an seine Eltern, 27. April 1937

Kirjat Anavim, Dienstag, den 27.4.37.

Meine Lieben!

Euren lb. Brief vom 16. ds. habe ich gerade an meinem Geburtstag erhalten und mich, wie immer sehr damit gefreut. Wer allerdings auf dem Zeitungsausschnitt fotographiert ist, kann ich leider nicht erkennen. - Meinen Geburtstag habe ich schön verbracht - ich habe wieder ein kleines Geschenk bekommen, einen Notizblock und ein Stück feine Seife. Das schönste Geburtstagsgeschenk aber war ein sehr vergnügter Tag, den ich bei Fritz in Jeruschalajim erlebt habe am Tage davor am letzten Schabbath. Bevor ich Euch darüber schreibe, noch ein paar Neuigkeiten. Manfred ist seit Sonntag wieder hier (Samstag habe ich ihn noch im Krankenhaus besucht) und muss noch kurze Zeit warten bis er in Moza aufgenommen wird. Es geht ihm wieder gut, er kann sogar schon ein wenig alleine gehn und sieht blendend aus. - Unterdes war neue Arbeitseinteilung - ich arbeite jetzt für 4 Wochen im Haus beim Putzen. Langweilige Arbeit - dafür ist man aber eine Stunde eher fertig und hat viel Zeit. Auch das ist so eine Arbeit, wo jeder mal drankommt. Was nach den 4 Wochen ist, weiss ich noch nicht. Noch eine Neuigkeit: Kirjath Anavim hat eine „Filiale” aufgemacht. Die Kwuzah hat 70 Dunam Boden gekauft zwischen Rechowoth und Ness Ziona um darauf Futter für die Kühe selbst zu bauen und dadurch von andern Orten unabhängiger zu werden. Wahrscheinlich kauft man demnächst noch Boden dazu. Ausser dem Getreideboden sind auch noch 10 Dunam Pardess dabei, so dass wir bald eigene Orangen haben. Einzelne Chawerim werden bald hinfahren um dort zu arbeiten. Das wären so meine Neuigkeiten und jetzt zu meiner Fahrt zu Fritz. Dieser war übrigens gestern abend wieder hier und hat seinen philosophischen und physikalischen Kurs angefangen. Ich bin nicht alleine zu Fritz gefahren, sondern mit meiner Chawerah Edith Stern, die auch von Fritz eingeladen war und ausserdem in der Stadt einiges zu besorgen hatte. Wir sind Freitag mittag um 1 Uhr hier weggefahren und am Samstag abend um 10 Uhr mit unserm Auto von Jerusalem heimgekommen. Wir haben bei Fritz einen sehr vergnügten Tag gehabt, sind viel spazieren gegangen, haben uns gut unterhalten, haben Samstag mittag Kakel getroffen und sind alle zusammen, Fritz, seine Frau, Kakel, Edith und ich ins Kino gegangen (ein engl. Film „Pasteur”, von dem wir leider nur die Hälfte verstanden haben. Bei Fritz haben wir mal wieder ein „gut bürgerlich deutsches” Abendessen gegessen mit Spargel, Rührei, dazu Brot mit Sardellenpaste, Schmierkäse, alles Dinge, die ich schon über ein Jahr nicht mehr gesehen habe. Mittags haben wir im Restaurant gegessen und nachmittags waren wir bei Fritzens Eltern, die jetzt eine sehr schöne Wohnung in Rechaviah haben, zum Kaffee eingeladen. Und dann, was Euch natürlich am meisten interessiert, ich war am Morgen bei Grünfelders, den Bekannten von Tante Tinni. Doch darüber später - ich muss jetzt zum Essen gehen.