Ernst Loewy an seine Eltern, 4. Mai 1937

Kirjat Anavim, den 4.5.37. Dienstag.

Meine Lieben!

Recht vielen Dank für Euren lb. Brief vom 24.4., den ich heute erhielt und der mir wieder sehr viel Freude gemacht hat. Ausserdem erhielt ich gestern einen Brief von Rosbergs zu meinem Geburtstag. Die Zustände dort müssen ja wieder grauenhaft sein. Fritz hat man in seiner neuen Stellung wieder nicht angenommen und er ist jetzt bei einem Arzt in Behandlung wegen seinen Hemmungen. Das ist doch grässlich - was aus dem Jungen einmal werden soll. Ausserdem erhielt ich heute nach langer Zeit einmal wieder einen Brief von Herbert Ballhorn aus Tel-Aviv. Seinen Bruder, der in Semach (arab. Stadt am Kinerethsee) Polizist ist, habe ich übrigens zufällig in Deganiah getroffen. - Und nun will ich endlich die Fragen beantworten, die sich so in der letzten Zeit betreffs Deiner Reise aufgehäuft haben. Zuerst einmal freut es mich sehr, dass Du Dich entschlossen hast, mit dem Schiff zu kommen, das am 13. 7. in Haifa ankommt. Das heisst, dass Du also voraussichtlich 3 Wochen hier sein wirst. Ich habe mir die Zeit folgendermassen eingeteilt, dass wir sofort, wenn Du ankommst, 10 Tage ungefähr durchs Land fahren, d. h. zwei Tage in Haifa bleiben, von dort nach Tiberias, von dort durchs Emek Hajarden, Emek Jesreel zurück nach Haifa, von dort durchs Scharon bis Tel-Aviv, wo wir auch 2 Tage bleiben werden, und von dort nach Kirjat Anavim, wo Du die andere Zeit bleiben wirst; zwischendurch werden wir eine Fahrt machen ans Tote Meer, von einem Tag - und ein paar Mal werden wir nach Jerusalem fahren. Zurückfahren nach Haifa werden wir durchs Schomron über Ejn-Ganim. Das sind so meine Pläne. Wohnen wirst Du selbstverständlich hier - wir werden einfach noch ein fünftes Bett ins Zimmer stellen - das macht keine Schwierigkeiten. Nun ein paar Worte über Kleidung. Dass Du Dir eine Knickerbockerhose gekauft hast, war nicht richtig - Du wirst viel zu sehr darin schwitzen. Knickerbockerhosen trägt man hier im allgem. nur, wenn es kalt ist. Das beste für Dich wäre eine gewöhnliche lange Hose. Nun im allgemeinen zur Kleidung. Nimm so wenig mit wie möglich, keinesfalls mehr, als in einen kleinen Handkoffer geht, wie ich selbst einen mitgenommen habe. Dann nimm Dir eine Aktentasche mit für Dein Schlafzeug, damit Du nicht in Marseille an Deinen Koffer brauchst. Auf dem Schiff musst Du Dir dann alle Sachen für die ersten Tage der Fahrt in die Tasche packen, so dass wir den Koffer in Haifa zurücklassen können, bis wir aus dem Emek nach Haifa zurückkommen. Dann lassen wir den Koffer in Tel-Aviv, von wo wir ein paar Touren machen, nach Rananah u.s.w. - Nun zur Kleidung im Einzelnen:

1 Paar Halbschuhe,
6 Paar Strümpfe
3 mal Unterwäsche (Kurze Netzunterhosen mit Netzhemden)
3 Oberhemden (möglichst dunkle Seidenhemden)
1 Hose, Jacke, Mütze, Hut. Für die Reise und fürs Schiff eine Krawatte, Waschzeug und was sonst alles noch dazu gehört. Ich glaube, dass das alles ist, was nötig ist. Ausserdem noch soviel Filme, wie Du noch mitbringen kannst, und eine Sonnenbrille nicht vergessen.

Donnerstag, den 6.5.37.

Gestern ist Manfred nach Moza gekommen, wo er wahrscheinlich 14 Tage bleiben wird. Ihm geht es sehr gut, ist bazillenfrei, kann nur noch schlecht gehen. Seine Mutter war noch nicht hier. Mendels sind in Haifa, wo sie sich jetzt eine Metzgerei einrichten. Bis es soweit ist, bleibt Ruth bei uns. Frau Mendel hat uns übrigens schon einladen lassen, wenn wir nach Haifa kommen, sie zu besuchen. -

Nun möchte ich Dir jetzt schreiben, wie ich mir das mit dem Mitbringen denke. Und zwar folgendermassen, dass Du den grossen Koffer als Frachtgut mitnimmst und darin die Sachen tust, die Du mir mitbringen willst, wie Bücher u.s.w. Du könntest den Koffer also in Krefeld aufgeben, er ginge auf Deinen Namen mit demselben Schiff mit, mit dem Du fährst und er kommt von Haifa sofort bis Jerusalem; dort müssten wir ihn abholen lassen. So denke ich mir das. Nun bin ich aber nicht überzeugt davon, ob sich das mit den Zollbestimmungen vereinbaren lässt und möchte ich Euch bitten, Euch umgehend danach zu erkundigen. Ich will Euch nun jetzt meine Wünsche schreiben; es wird ausser Büchern nicht so viel sein und zwar: ½ Dutzend Paar Strümpfe (die Hälfte braun, die Hälfte grau), 2 Flanellwinterhemden und zwei Polohemden für den Sommer, 2 Netzhemdchen, 1 billige gewöhnliche Mütze für die Arbeit. Was ich ausserdem noch sehr gut gebrauchen könnte wäre meine alte Steppdecke, die ich leider nicht mitgenommen habe und eine hübsche bunte Leinendecke zum Bettzudecken. Das wäre zum Anziehen alles. Ausserdem kann ich noch Schreibpapier (Luftpostpapier) sehr gut gebrauchen. - Und nun vor allen Dingen die Bücher: Zuerst würde mich überhaupt interessieren, wieviel Du mitbringen kannst. Wegen Unterbringung der Bücher später hier, brauchst Du Dich nicht zu sorgen - da wird es immer genug Möglichkeiten geben. Das was mich an erster Stelle interessiert ist: Thomas Mann (auf jeden Fall „Tonio Kröger”, Nietzsche, Schopenhauer, wenn Du billig daran

kommen könntest, Ibsen, von Goethe zum mindesten den Faust, die Textbücher von Wagner, und dann noch einige allgem. Werke wie Geschichte, Kunst-, Literaturgeschichte u.s.w., ausserdem noch einige kleine schöne Sachen, die wir haben, und von denen Du glaubst, dass sie mich interessieren, z. B.: Gobineaus Renaissance und ein paar Kunstmappen, und irgendwelche Essays oder Biographien. Du musst selbst einmal sehen, lb. Pips, was Ihr da habt. Von Romain Rolland habt Ihr soviel ich weiss, leider nichts da; Du musst schon selbst sehen, lb. Pips, was Du mir noch mitbringen kannst.

Samstag, den 8.5.37.

Von Erbse höre ich, dass Ihr nun endgültig zusammen kommt, Du lb. Pips und Frau Wertheim. Mache jedenfalls Frau Wertheim schon vorher klar, dass sich gleich nach Eurer Ankunft in Haifa unsere Wege trennen. Meinen Plan weisst Du, wir halten daran fest und lassen uns von niemandem etwas dreinreden. Übrigens will ich Dir mal etwas Grundsätzliches zu Deiner Reise sagen, dass sie nämlich nicht nur eine Vergnügungsreise ist, sondern, dass du vor allen Dingen auch einmal sehen sollst, ob sich später einmal für Euch hier etwas machen lässt - und was. Ausserdem möchte ich auch in dieser Zeit für mich meine grundsätzliche Entscheidung treffen, was ich für die Zukunft vorhabe. Beides das soll der Hauptsinn der Reise sein. Und ausserdem wollen wir uns natürlich ein paar schöne Tage machen und ein glückliches Wiedersehen feiern. -

Von hier nicht viel neues. Ich erhielt gestern eine Karte von Onkel Sali, der sich für meine Wünsche zur Silbernen Hochzeit bedankt. Ausserdem erhielt ich vor ein paar Tagen einen Brief von Rolf Schwarz und Esther Gompertz. - Die Arbeiten am Elektrischen Licht neigen sich bald dem Ende zu. Im Transformator selbst ist schon Strom, nur sind die Leitungen in der Kwuzah noch nicht fertig - aber in drei bis vier Wochen wird wohl alles erledigt sein. - Dann hat man jetzt einen Traktor gekauft zum Pflügen, der sich aber, trotzdem er sehr klein ist, sich auf unserm Boden kaum lohnen wird.

Das ist für heute alles. Recht viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.

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