Ernst Loewy an seine Eltern, 18. Mai 1937

Kirjat Anavim, Dienstag, den 18.5.37.

Meine Lieben!

Recht vielen Dank für Euren lb. Brief vom 4.5., den ich gestern erhielt, und für 10 M, die ich gleichfalls erhielt. Bevor ich auf den Brief eingehe, will ich Euch erst über meine Fahrt nach Tel-Aviv bezw. Rananah schreiben. Um 3 Uhr Freitag mittags hören wir zufällig, Piel (mein Chawer) und ich, dass wir die Möglichkeit haben um 4 Uhr mit einem Lastwagen nach Tel-Aviv zu fahren, da haben wir uns schnell umgezogen, haben zu Schiker gesagt „wir fahren nach Tel-Aviv, schalom liha”, und sind losgefahren. Pinchas war nicht da, wir haben ihn später in Tel-Aviv getroffen. Das Fahren ist jetzt in ruhigen Zeiten überhaupt nicht mehr mit so grossen Anstrengungen verbunden, ich meine, was die Redegewandheit betrifft, um die Leute von der „Wichtigkeit” einer solchen Fahrt zu überzeugen, wie das früher immer notwendig war. Wir sind also losgefahren und wollten eigentlich abends noch nach Rananah, sind aber erst um 7 Uhr in Tel-Aviv angekommen, da das Auto unterdes noch Steine auf- und abgeladen hat und mussten also in Tel-Aviv bei Herbert übernachten, der sich mit meinem Kommen sehr gefreut hat. Am Schabbath morgen sind wir zusammen nach Rananah getrempt - noch ungefähr 20 km von Tel-Aviv, Piel ist in die Kwuzah des Mak. Haz. gegangen, wo er eine Schwester hat, und ich zu Speyers, von denen ich Euch nochmals herzlich grüssen soll und die sich freuen werden, Dich lb. Pips, bald einmal dort zu sehen. Ich habe dort mal wieder gut bürgerlich zu mittag gegessen (Nudelsalat), bin noch einen Stunde in die Kwuzah gegangen und dann - ich bin ein vornehmer Herr - mit einer Taxe nach Tel-Aviv gefahren, welcher Spass mit 6 Piaster gekostet hat, während der Omnibus, der aber an Feiertagen nicht fährt, 5 Piaster verlangt. Piel ist über Nacht in Rananah geblieben und hat mich am Sonntag mittag in Tel-Aviv abgeholt. Ich habe also in Tel-Aviv noch einen sehr schönen Tag verlebt. Ich habe übrigens Herrn Mendel getroffen, der mich zu einer Portion Eis eingeladen hat, und mich das 1000ste mal gefragt, was ich von zu Hause höre. Ich habe ihn noch einmal wegen der Touristenklasse gefragt (Frau Mendel hatte ich nicht mehr gesprochen) und auch er sagte mir, dass Du die 90 M natürlich

Herzlichen Gruß
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sparen sollst. Ich habe natürlich auch sonst noch Bekannte getroffen, so einen Herrn, der mit uns auf der Tel-Aviv gefahren ist, und mit dem ich mich auf dem Schiff mehrmals angenehm unterhalten hatte, und dann, wie ich schon schrieb Pinchas, der natürlich ein erstauntes Gesicht gezogen hat mich in Tel-Aviv zu sehen, und noch einige Leute von hier, die gerade dort waren. Am Sonntag morgen habe ich im Meer geschwommen - es war grossartig. Ich hoffe Dir, lb. Pips, bald zeigen zu können, dass ich das Schwimmen noch nicht verlernt habe. (Ich erinnere Dich bei der Gelegenheit, Deinen Badeanzug nicht zu vergessen). Dann habe ich einen Spaziergang gemacht zum Hafen, der bald ein Jahr besteht und war auf dem Ausstellungsgelände, auf dem jetzt englisches Militär liegt. Beinahe wäre ich noch ins Kino gegangen - Herbert hat schon Karten gekauft, bis wir sahen, dass wegen der Feiertage die Kinos geschlossen waren und haben uns denn dafür ins Kafe gesetzt. Ich wollte ausserdem noch Josef Löwenthal besuchen, habe ihn aber leider nicht angetroffen. Das ist alles. Ich habe mal wieder zwei schöne Tage verbracht. Die Rückfahrt hat mich wieder nichts gekostet, da ich getrempt bin, nachdem ich allerdings zwei Stunden auf der Strasse gewartet habe.

Freitag, den 21.5.37.

Heute will ich nun Euren Brief beantworten. Ihr habt noch garnichts davon erwähnt, dass Ihr aus Merseburg von Taitza zwei Negative erhalten habt, obwohl Piel behauptet, seine Eltern hätten geschrieben, die Negative abgesandt zu haben. Schreibt mir bitte einmal darüber. Was Antwortscheine anbelangt, so könnt Ihr ruhig wieder mehrere schicken, ich gebe sie nämlich nicht mehr ab. Wenn ich gelegentlich in die Stadt komme, tausche ich sie schon seit längerer Zeit immer selbst ein. - Lieber Pips, aus Kronach bist Du nun schon wieder zu Hause, Du warst ja nur 5 Tage fort. Hoffentlich hast Du Dir trotz der Hetzerei ein paar schöne Tage gemacht. Schreib mir bitte ausführlich über alles - über Ernst Lamm und so w. - Mit meiner Hausarbeit habe ich heute „vermacht”, wie man hier so schön sagt. In eine feste Arbeit werde ich wohl vorläufig nicht kommen, doch werde ich jedenfalls der nächste sein, der neu in die Obstpflanzungen kommt. Vorläufig sind dort aber noch alle

Plätze besetzt. - Schlafen tue ich immer noch mit denselben Leute wie früher: Pinchas, Piel und Rolf Stern. Zufällig fragt Ihr in diesem Brief, wie augenblicklich das Verhältnis in der Gruppe ist, worüber ich sowieso heute schreiben wollte, diesesmal aber durch meine Beschreibung über meine „Mittelmeerreise” nicht dazu komme, und nun das nächste Mal darüber schreibe. - Über Editz habe ich Euch ja das vorige Mal schon ausführlich geschrieben. Sie war nicht mit in Schniebienchen auf dem Lager gewesen, sondern erst nachher dazu gekommen. Sie war auf dem Lager in Winkel vom 6. Januar, auf das auch ich zuerst sollte. Mit ihrer Amerikasache hat sie nun ganz plötzlich grosses Pech bekommen, indem sie gestern einen Brief erhalten hat, dass ihr Onkel, der sie anfordern sollte, plötzlich gestorben ist. Das wird allerdings die Angelegenheit nicht aufheben, aber zum mindesten aufschieben. - Was Du, lb. Pips, mir noch mitbringen kannst ist Seife, Zahnpasta u.s.w., Rasierseife - in solchen Dingen bekommen wir hier immer ziemlichen Dreck. -

Gerade im Moment kommt Dein Brief vom 15.5., liebe Mutter, den ich Dir aber erst morgen beantworten werde.

Samstag, den 22.5.37.

Ein paar Worte noch zu Deinem Brief. Dass Ihr Frau Kaufmann gesprochen habt, ist ja sehr schön, was sie Euch aber erzählt hat von pädagogischem Talent, ist Unsinn - ich weiss nicht, woher sie so etwas aufgeschnappt hat, Küken behauptet nichts davon erzählt zu haben. Die Zustände hier in der Gruppe jedenfalls sind nicht so rosig, wie sie sie Euch scheinbar geschildert hat; besonders haben sich in der letzten Zeit Dinge zugetragen wie sie bisher noch nie da waren - doch darüber das nächste Mal. Ich schicke Euch diesesmal wieder ein Bild von unserer Fahrt mit, das ist Euch ebenfalls bitte zurückzusenden. Es ist eine Aufnahme, die aufgenommen worden ist in der 3 Wochen alten Kwuzah Ejn hakoreh im Emek Ha Jarden. Im Hintergrund die ebenso alte Kwuzah Massadah. Ganz im Hintergrund schon die syrischen Berge. Der Boden befindet sich ungefähr dort wor die palästinensische Grenze mit der transjordan. und syrischen zusammenläuft, d. h. beim Austritt des Jarmuk aus dem transjordanischen Gebirge, zwischen dem Kinerethsee und Tel-Or. Damit will ich Schluss machen für heute. Herzl. Grüsse und Küsse
Euer Ernst.

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