Ernst Loewy an seine Eltern, 6. Juli 1937
Kirjat Anavim, Dienstag, den 6.7.37.
Meine Lieben!
Recht vielen Dank für Euren lb. Brief vom 25.6.37., den ich gestern erhielt. - Heute ist Vater schon auf dem Schiff und beginnt eine wundervolle Seereise, die er hoffentlich bei bestem Vergnügen geniesst.
Ich war heute morgen in der Stadt auf dem Bureau der „Messageries Maritimes”, um mich zu erkundigen, ob es möglich ist, die Erlaubnis zum Eintritt in den Hafen in Haifa zu erlangen, die aber nur ganz selten gegeben wird, und die ich leider auch nicht erhalten habe. Das Schiff kommt am 11.7. in Haifa an, nicht, wie Du irrtümlich schriebst, am 12.7., und zwar ungefähr um 10 Uhr. Ich werde dann am Sonntag morgen ganz früh von Tel-Aviv fortfahren, nachdem ich den Freitag und Samstag mit Edith zusammen in Tel-Aviv und Rananah verbringe. Sonntag morgen von hier wegfahren würde zu spät werden, und da es am Schabbath auch keine guten Verbindungen gibt, muss ich höchst wahrscheinlich schon Freitag fahren und mache mir in Tel-Aviv mit Edith und noch einem Chawer noch zwei vergnügte Tage. Und dann werde ich mein Pipslein wiedersehen. Es ist nur schade, dass ich nicht die Eintrittserlaubnis in den Hafen erhalten habe, da ich Vater dort durch meine Iwrithkenntnisse sicherlich gut hätte helfen können. So sehen wir uns eben eine halbe Stunde später - nach der Zollabfertigung - ausserhalb des Hafengeländes.
Dieses ist übrigens mein letzter Brief, den ich regelmässig schreibe. Wenn Vater kommt, werdet Ihr wohl ein wenig öfter Post erhalten, wenn auch nicht mehr an den bestimmten Tagen. Auch diesen Brief werde ich wahrscheinlich schon eher abschicken, damit ich die Gewissheit habe, dass er noch pünktlich zu Grossvaters Geburtstag ankommt.
Von hier, wie immer wenig Neuigkeiten. Alles ist in grosser Spannung, wie der morgen erscheinende Bericht der Royal Comission ausfällt. Hoffentlich kann ich Euch in meinem nächsten Briefe erfreuliche Mitteilungen darüber machen; doch sind leider die Hoffnungen nicht allzu gross. Über Vaters Zeilen musste ich ein wenig lachen. Er glaubt scheinbar, dass wir auf Fahrt gehen würden wie richtige Wandervögel, da er von Tornister und hohen Stiefeln schreibt. Wir machen eine richtige Reise per Eisenbahn und Auto und übernachten in Hotels. Ich habe mir für die Fahrt gerade meine besten Schuhe rausgenommen und meine besten Kleider, die ich augenblicklich trage - Vater dagegen möchte scheinbar am liebsten mit Scouthut und Halstuch auf Reisen gehen. Die alten Schuhe hat er bestimmt überflüssigerweise mitgenommen, ebenso auch die Kragen. Am besten wären Hemden mit festen Kragen, die er auch ohne Krawatte tragen kann. Na, die „Ezes” kommen jetzt natürlich zu spät - es wird auch so gehen, selbst wenn er mit 2 Koffern ins Land kommt, statt, wie nach meinem Rate nur einen mitzunehmen.
7.7.36., Mittwoch.
Recht vielen Dank für den Luftpostbrief vom 3.7., den ich heute erhielt - so habe ich nun endlich die Gewissheit, dass alles in Ordnung ist. Du schreibst, liebe Mutter, dass ich den Brief nur an Vater gerichtet hätte - wenn ich auch nur „Lieber Vater” darüber geschrieben habe, so war der Brief doch selbstverständlich an Euch alle gerichtet. - Ich schicke diesen Brief doch nach Krefeld, da er noch zu Grossvaters Geburtstag ankommen soll; Grossvater wird ihn dann natürlich sofort nach München schicken. Meine weitere Post, die Vater und ich nun gemeinsam schreiben, geht natürlich nach München. Dass Du, lb. Mutter, nach München fährst, freut mich überhaupt sehr - so machst auch Du Dir in der Zeit noch ein paar schöne Tage. Nun Schluss für heute. Übermorgen fahre ich hier fort und werdet Ihr bald von uns beiden gemeinsam aus Haifa einen Brief erhalten.
Herzl. Grüsse und Küsse Euer Ernst.