Ernst Loewy an seine Eltern, 20. August 1937
Kirjat Anavim, Freitag, den 20.8.37.
Meine Lieben!
Erst heute nach langer Zeit erhielt ich endlich wieder einmal Post, und zwar Deinen Brief, liebe Mutter, vom 13.8. und einen Brief von Onkel Richard. Ich versehe nur eines nicht, dass ich von Vater noch keine Post habe, wo er schon über 14 Tage von hier fort ist. Nicht nur, dass ich von Alexandria schon Post haben könnte, sondern schon von Paris - ich verstehe das wirklich nicht - dass Du nicht etwa gleich geschrieben hättest, könnte ich mir kaum vorstellen.
Dass Du, liebe Mutter, in München, wie auch in Kronach ein paar schöne Tage verlebt hast, freut mich unendlich, wenn auch das Ende weniger erfreulich war. Deine Nachrichten betreffs Onkel Richard waren mir nicht neu. Dass er vorhat nach Persien zu gehen, schrieb er mir schon vor längerer Zeit und hatte ich es Vater schon erzählt. Heute schrieb er mir noch, dass wir uns wahrscheinlich bald wiedersehen werden - ich würde mich unendlich freuen.
Nun einiges von hier - zuerst einmal das wichtigste - Hans Beit wird am Sonntag hier herkommen um mit uns über die Gruppenangelegenheiten zu sprechen. Du wunderst Dich wahrscheinlich lieber Pips? Uns sagte er gerade damals, dass er garnicht daran denke sich mit diesen Dingen näher zu befassen. Ich sprach ihn übrigens auch noch Anfang der Woche, als ich mit Edith in der Stadt war.
Ich schrieb Euch schon voriges Mal, dass ich der Augen wegen noch einmal zur Kupath Cholim fahren müsse, ausserdem habe ich auf der Stirn eine kleine Flechte, die Dir, lb. Pips, wahrscheinlich auch damals aufgefallen ist, und die ich mir auch habe untersuchen lassen.
Ich muss deswegen nächste Woche sogar noch einmal fahren. Wir sind den ganzen Tag in der Stadt gewesen und glaubten unsere Besorgungen bald erledigen zu können und dann noch ein paar Stunden auf den Skopus zu fahren, hatten aber soviel zu laufen, dass wir froh waren, bis 4 Uhr alles erledigt zu haben. Edith musste zum Konsulat um sich über verschiedenstes zu erkundigen - es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis sie abdampft - dann waren wir zusammen bei Hans Beit, dem sie erzählen wollte, dass ihre Bürgschaft schon auf dem Wege nach Palästina sei. Ich habe weiter nicht mit ihm gesprochen - nur soll ich Dich grüssen.
Auch bei den alten Grünfleders war ich, um ihnen vom Tode Deines lb. Bruders zu unterrichten. Auch von ihnen die herzlichsten Grüsse und Beileid. Und dann mussten wir für andere Chawerim noch eine Menge Besorgungen machen, so dass wir 8 Stunden hintereinander kreuz und quer durch Jeruschalajim laufen konnten.
Von hier, wie immer wenig neues. Heute abend ist hier eine Feier zum Ende der Obsternte, für die Dan wieder seine „Gemälde” zu liefern hat. - Meine Arbeit ist schon die ganze Woche und wahrscheinlich noch länger auf dem Bau, dessen Guss fertig ist, und der jetzt verputzt wird. Ich tu' schon seit einigen Tagen nichts anderes mehr als Sandsieben. - Dann ist meine Plombe schon zum vierten Mal ausgefallen (das erste Mal hat sie mir Dr. Allers gemacht) und bekomme ich jetzt wahrscheinlich eine Goldkrone. - Am vorigen Schabbath habe ich ein wenig über „Faust” gesprochen und aus ihm vorgelesen, woran sich mit Naftali eine interessante Diskussion knüpfte.
Und das wäre eigentlich alles, was es von hier zu berichten gibt. Wir sind alle in grosser Spannung auf die Sichals mit Hans Beit, die übermorgen sein wird und schwelgen alle in allen möglichen Mutmassungen.
Anbei ein Bild von Werner und mir und einige Marken, die mir Richard mitgeschickt hat.
Ich bitte Euch mir jetzt immer 2 Antwortscheine zu schicken. Und vor allen Dingen schickt mir bald die Bilder samt Negativen und auch die beiden Bilder von unserer Fahrt aus Massadah und Merchaviah, die ich Euch schon vor 2 Monaten geschickt habe und die ich unbedingt wiederhaben möchte.
Soweit für heute. Alles Gute. Recht viele Grüsse und Küsse in Erwartung baldiger Post meines Pipsleins.
Euer Ernst.
Warum hat denn „Pappi” noch nichts von sich hören laßen? Wenn einer eine Reise tut so kann er was erzählen, stimmts? Wir warten alle auf einen Bericht von Ihnen u. ganz besonders Eli. Das kleine Persönchen war neulich mit Eli bei Grünfelders, dieselben großen Gefallen fanden in den Augn der kleinen unbedeutenden Persönlichkeit.
Was sich hier von Bedeutung zugetragen hat, wird Ihnen Eli wohl schon berichtet haben. Ich nehme an daß Sie inzwischen wohlbehalten zu Hause angekommen sind.
Viele Grüße für Sie sowie Ihre Frau,
Ihre Edith