Ernst Loewy an seine Eltern, 28. August 1937
Samstag, den 28.8.37.
Meine Lieben!
Nun muss ich aber doch einmal ernstlich mit Euch schimpfen. Weshalb lasst Ihr nichts von Euch hören? Ausser den Grüssen aus Paris und der ersten Karte aus Krefeld vom 15.8. habe ich in einer Zeit von über drei Wochen kein Wort von meinem Pipslein gehört. Von Dir, lb. Mutter, ausser den paar Grüssen auf der Karte in der letzten Woche auch nichts. Ich warte schon seit einer Woche sehnlichst auf einen Reisebericht - hoffe jetzt, dass er zum mindesten morgen noch ankommt.
Von hier einige Neuigkeiten. Hans Beit war Anfang der Woche hier und hat mit uns gesprochen. Wir stellten die Forderung Pinchas abzusetzen um uns dann wieder mit oben zu vereinigen. Der Vorschlag ist nicht angenommen worden, erstens weil unsere Gründe nicht als stichhaltig anerkannt wurden ihn sofort abzusetzen, zweitens, weil die andern darauf bestehen ihn zu behalten. Nur Jetti ist abgefallen - sie rechnet sich jetzt zu den Neutralen und versucht bei uns anzubändeln - und Gerda ist jetzt so gut wie oben. - Ohne irgend einen Erfolg ist Hans Beit dann wieder abgefahren. - Nun kommt aber das schönste. Danach geht Pinchas zum Zahnarzt und bittet ihn im Auftrage von Beit am nächsten Tage einmal zur Sochnuth zu kommen. Er erzählt ihm unter anderm, er, Pinchas habe Hans Beit ein Sündenregister von 27 Klagepunkten gegen die untere Gruppe aufgezählt - 23 davon wären akzeptiert worden -
12 allein richteten sich gegen mich. Ich hätte gegen ihn intrigiert. Worauf Naftali sagt, der typische Intrigant wäre doch Gidon - darauf Pinchas - Gidon wäre keine Intrigant sondern Diplomat!!! Wenn Pinchas das intrigieren nennt, wenn ich ihm einmal auf einer offenen Sichah meine Meinung ins Gesicht sage, so bin ich in diesem Punkte anderer Meinung. - Aber nun das allerschönste. Naftali geht zu Hans Beit; und dieser weiss nicht das geringste von dem ganzen Sündenregister!!! Er tat sehr erstaunt als Naftali ihm davon erzählte und sagte, wenn Pinchas 27 Klagepunkte gegen uns hätte, so wäre er bereit 40 gegen oben aufzustellen. Wie findest Du das, Vater? Mir scheint, Pinchas ist auch ein grosser Diplomat?! Hans Beit lässt nun Pinchas noch einmal zu sich kommen, um ihm einmal ins Gewissen zu reden. Und dann sagte er, hätte er eine befriedigende Lösung gefunden, um beide Gruppen wieder zusammenzubringen. In einer Woche würden wir näheres hören. Von uns kann sich niemand vorstellen, dass es überhaupt eine solche Lösung gibt - ich wüsste nicht wie. Jedenfalls muss man nun einmal abwarten. - Soweit zu diesem Problem.
Sonst keine grossen Neuigkeiten. Ich war in der Kupath Cholim - und meine Flechte ist bald wieder gut. Dann hatte ich noch ein wenig Zeit und bin ins Bezalel-Museum gegangen, wo unter anderm auch ein Selbst-
bildnis Liebermanns ist, einige Zeichnungen von Hermann Struck und noch einige hübsche Gemälde weniger bekannter Maler. Eigentlich schade, dass wir beide nicht mal zusammen dort waren.
Edith hat nun endlich ihre Bürgschaft in Händen. Sie braucht aber noch eine Menge anderer Papiere um das Visum zu erhalten und wird es immer noch eine Zeitlang dauern.
Das wäre nun alles. Hoffentlich kommt nun endlich die erwartete Post, dass ich Euch einmal wieder etwas zu beantworten habe, und hoffentlich auch bald die Bilder, auf die wir hier alle sehr gespannt sind.
Nun als Schluss. Herzl. Grüsse und Küsse
Euer Ernst.
Herzlichen Gruß, Edith.
Auch von mir die herzlichsten Grüße
Werner.