Ernst Loewy an seine Eltern, 16. September 1937
Kirjat Anavim, den 16.9.37.
Meine Lieben!
Recht vielen Dank für Euren lb. Brief vom 5.9. sowie 10 M, die ich heute erhielt. Ausserdem erhielt ich gleichzeitig mit Eurem Brief eine Karte von Ernst Lamm, in der er auch an mich ähnliche Fragen stellt, wie an Euch, wie Ihr mir geschrieben habt.
Anfang s der Woche war Miss Szold hier, begleitet von Hans Beit und Fritz David. Sie war ja bis vor kurzem fort, auf dem Kongress und auch in Deutschland, und wie sie wiederkam, hörte sie natürlich von den Geschehnissen bei uns, und auch davon, dass wir uns wieder vereinigt haben. Sie kam also gewissermassen, um uns zu beglückwünschen. Jetzt haben wir es natürlich so weit, dass wir garnicht mehr auseinanderkommen könnten, falls wir es wieder wollten. Geändert hat sich eigentlich garnichts, nur, dass wir nach aussen hin wieder eine „Chewrah“ sind. In Wirklichkeit leben sie für sich und wir für uns wie früher. - Dann erzählte sie uns von ihrer Reise und vom Kongress - manch interessante Dinge.
Dan, der mir gegenübersitzt, sagt, ich soll Euch grüssen von den beiden Negerbabies - er und Chawrah.
Herberts Abreise ist nun noch schneller vor sich gegangen als wir dachten. Heute mittag ist er schon fortgefahren, der erste, der die Chewrah verlässt - bald geht nun Sonja - und beim „Weibi”, wie Jehuda Neubauer seit gestern die Edith nennt, ist noch garnichts raus - es verzögert sich von Tag zu Tag. Mit Naftalis Geschichten muss ich Euch noch einmal vertrösten - er ist nämlich in Tel-Aviv und kann ich sie Euch erst das nächste Mal schreiben. Was seinen Roman anbetrifft, so ist er bald fertig und geht an Thomas Mann zur Begutachtung. Von hier sonst keine Neuigkeiten.
Seien Sie vielmals herzlichst gegrüßt
Werner.
Und nun zu Eurem Briefe: Zuerst einmal vielen Dank für die Bilder, die allerdings nicht besonders sind. Hoffentlich sind die andern besser geworden. Das Negativ von Gerda und Chawah möchten die beiden gerne haben. Ich schreibe Euch mit der Zeit so alle Negative auf, der Ihr uns schicken sollt - aber alle erst nachdem ich die Bilder völlig zusammenhabe. - Das Bildchen, von dem Du nicht wusstest, wer darauf war, habe ich einmal in Jeruschalajim von einer Chawerah bekommen, die mich darum bat, es unserm Lehrer, von dem die Aufnahme ist, einzuhändigen, was ich nun, wenn auch etwas verspätet, getan habe. - Das Foto vom Toten Meere werde ich Dir demnächst auch besorgen.
Dann bitte ich Euch mir einmal die Adresse von Gerda zu schreiben. Schreibt Richard schon genaueres über seine Pläne?
Von den Feiertagen ist nicht viel zu berichten. Wie ich schon schrieb, war am ersten Abend Rosch Haschanah eine schöne Feier, und dann war die ganze Woche bis jetzt - ich glaube, man ist immer noch nicht ganz damit fertig - die große Jahresassefah, die jeden Abend fortgesetzt wird. Der wichtigste Punkt war die Aufnahme der Jeckes (Arjeh etc.) als Chawerim. Bis jetzt waren sie ja alle noch Anwärter. Die meisten sind aufgenommen worden, einige noch für ein halbes Jahr vertagt, darunter Zwi. Einige wollten auch von sich selber aus noch nicht über sich abstimmen lassen, da sie noch nicht wissen, ob sie überhaupt hierbleiben wollen (z. B. Naftali). Abgelehnt wurde niemand. Bezeichnend für Kirjat Anavim ist übrigens, dass man die Hauptassefah am Kol Nidre-Abend machte. An einem Tage, wo sich die Juden der ganzen Welt einig sind, macht man hier Abstimmung über Arjeh Berliner, der nur mit genauer Not aufgenommen wurde. Damit genug für heute.
Recht viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.