Ernst Loewy an seine Eltern, 9. Oktober 1937
Kirjat Anavim, Samstag, den 9.10.37.
Meine Lieben!
Recht vielen Dank für Euren lb. Brief vom 24.9., der, wie immer pünktlich eintraf. Die Nachrichten über Hans Seligmann freuen mich sehr - hoffentlich klappt es bei ihm. Aber was wird er machen, wenn er seinen Dr. hat? Seine Braut kenne ich auch noch aus München her - ein sehr nettes Mädel. Er hat also bald vor zu heiraten? Na, dann viel Glück! Was macht eigentlich Fritz? Von ihm hört man so gar nichts mehr. - Frau Stern ist bis jetzt immer noch nicht hier gewesen. Ich warte mit Sehnsucht auf die Bilder, glaube jeden Tag, dass sie kommt und bin immer wieder von neuem enttäuscht. Anfang nächster woche wird sie aber doch sicherlich erscheinen - Moischele ist ja schon 14 Tage fort und hat seine Zeit also schon um. Auch Fredi ist mit seinen Eltern noch nicht gekommen. - Mit Edith scheint es nun endlich zu klappen. Sie hat jetzt vom Konsulat die Aufforderung bekommen Ende nächster Woche mit den Papieren vorzusprechen und wird dann wahrscheinlich ihr Visum erhalten. Wenn alles gut geht, wird sie wohl in 4 bis 6 Wochen abdampfen. - Werner arbeitet jetzt 4 Wochen in Kubebe bei Ness Ziona in unserer „Filiale”. Die letzten 4 Wochen hatte Karuso dort gearbeitet. Die Arbeit soll dort ziemlich schwer sein, bei wahnsinniger Hitze. Im ganzen arbeiten dort 5 Leute von uns, vier Chawerim und eine Chawerah, die kocht. Die Leute wohnen in einem Moschiaw bei Ness Ziona, wo die Kwuzah ein Haus gemietet hat. Augenblicklich ist dort gerade Ernte und bekommen wir das Grünfutter für
unsere Kühe schon von dorther. - Walter Stern und Chanan lernen jetzt Autofahren, d. h. vorläufig helfen sie nur beim Auf- und Abladen, aber später sollen sie richtig fahren lernen. - Das Wetter ist augenblicklich sehr unangenehm. Anfang der Woche hat es hier das erste Mal schon geregnet, fast einen ganzen Tag - und jetzt ist hier ein wahnsinniger Chamssin, dass man vor Hitze nirgends zu bleiben weiss. - Vor ein paar Tagen bin ich mit Dan bei Chawah in Moza gewesen - sie kann es dort nicht aushalten und will wieder heim, hat Sehnsucht nach Dan, obwohl er sich ein Fahrrad gepumpt hat und jeden Tag rausfährt. Er kann es natürlich ebenso wenig aushalten.
In der Zeitung werdet Ihr wohl von den Geschehnissen im Lande schon längst gehört haben, dass der oberste arabische Rat gefangengenommen worden ist - hier war natürlich grösste Freude; man hat sich gegenseitig die Hände geschüttelt und Masel Tow gewünscht. -
Mir geht es wieder gut - wieder, d. h. ich habe ein paar Tage zu Bett gelegen, und zwar von einem Bienenstich, den ich auf die Stirn bekommen habe, worauf die Augenlider angeschwollen sind, dass ich zwei Tage kaum die Augen öffnen konnte - dass man mich sogar füttern musste. Heute bin ich wieder aufgestanden und ist alles wieder so ziemlich in Ordnung. - Dass soll für heute genügen. Alles Gute.
Recht viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.
Übrigens habe ich Lore natürlich gleich einen Brief geschrieben - hoffentlich ist es mir gelungen, sie zu trösten und ihr etwaige dumme Gedanken auszureden.