Ernst Loewy an seine Eltern, 18. November 1937

Kirjat Anavim, Freitag, den 18.11.37

Meine Lieben!

Mit Ausnahme von 10. M habe ich in dieser Woche keinerlei Post von Euch erhalten - da ich nicht annehme, dass Ihr nicht geschrieben habt, müsste demzufolge also ein Brief verlorengegangen sein. Bevor ich Euren Brief von der vorigen Woche beantworte, habe ich Euch einiges von hier zu berichten. Höchst wichtige Dinge wieder einmal, Dinge, die Euch vielleicht enttäuschen werden, an denen aber nichts zu ändern ist.

Vor ein paar Tagen ist nun endlich der Garin, d. h. der Teil der Gruppe, der zusammenbleibt, gegründet worden, und zwar sind es folgende Leute, die sich dazu gemeldet haben: die ganze obere Etage ausser Walter Stern, der Chauffeur wird, und Rolf Stern, der Schlosserei lernen will, von unten Benni, Chajim, Chawah und Piel.

Chawah hat sich nur deshalb gemeldet, weil sie im Moment nichts anderes weiss, würde aber am Ende der zwei Jahre einstimmig von oben abgelehnt werden - und Piel hat sich gemeldet, obwohl er so gut wie bestimmt weiss, dass er nicht dabei bleiben wird, sondern vorhat Möbeltischlerei zu lernen. Das heisst, dass ausser der oberen Gruppe nur Chajim und Benni ernstlich vorhaben mitzugehen. Dass ich mich unter solchen Umständen nicht melden konnte, ist klar, da ich erstens mit keinem Menschen von oben jemals das geringste Verhältnis hatte, ja, dass ich die Leute oben durchweg niemals leiden konnte und zweitens, da mich die Gruppe, wenn ich auch mitgehen wollte, niemals aufgenommen hätte. Nicht etwa, dass Ihr glaubt, ich hätte mir durch die Teilung die Sache

verscherzt - vielmehr wäre die Teilung die einzige Möglichkeit für mich gewesen jemals, wenn auch nur mit einem Teil der Gruppe zusammenzubleiben. Ich erinnere mich, Dir das auch bei Deinem Hiersein gesagt zu haben. So war es mir auch seit dem Tage an, wo wir uns wieder zusammengeschlossen haben, klar, dass ein Mitgehen für mich ausgeschlossen ist. Denn, dass ich jemals mit Pinchas und Karuso, denen ich nicht gerade freundliche Dinge gesagt habe und mit allen Mitteln versucht habe, Pinchas hier loszuwerden - dass ich mit solchen Leuten plötzlich in ein freundschaftliches Verhältnis treten soll, dazu noch für immer - ich glaube doch, dass dies nicht im Bereiche des Möglichen liegt, und habe ich mich stets gewundert, dass Ihr glaubtet, das liesse sich so eins, zwei einrenken. Dass ich mit der Gruppe auf Hitjaschwuth gehe, ist ausgeschlossen und wie gesagt, liegt es auch nicht nur an mir, denn schliesslich würde die Gruppe niemals Menschen aufnehmen, von denen sie von Vornherein weiss, dass sie sich nicht einleben können. - Was nun meine Zukunft anbetrifft, so werde ich wohl für die nächste Zeit eben in Kirjat Anavim bleiben müssen. Und was die andern Leute von unten anbetrifft, so ist bei Werner und Lore dasselbe der Fall wie bei mir, nur dass Werner immer davon träumt, einmal auf eigene Faust zu siedeln. Da dazu aber Geld gehört und er keines hat - auch nicht die Aussicht, einmal welches zu bekommen - so wird auch er wenigstens für's erste in Kirjat Anavim bleiben, und Lore hat auf jeden Fall vor, in einer Kwuzah zu bleiben - wahrscheinlich auch vorläufig hier. Piel, obwohl Chawer des Garin, will Möbeltischlerei lernen.

Chawah wird am Ende nichts anderes übrig bleiben als uns dreien, obwohl ihr Vetter Fritz Königsfeld ihr viel helfen könnte, da sie sich aber mit ihm verkracht hat, ihn nun nicht bittet. Fredi hat schon in Jeruschalajim eine Stelle als Möbeltischler vom 1.4.38., wo er kurze Zeit bleiben wird, um dann aufs Technikum in Haifa zu gehen. Fritz Schloss hat auch schon eine Stelle als Schweizer bei einem Deutschen in Gederah, wo er zuerst noch praktisch lernt und geht später zu einer Spezialausbildung nach Holland. Was Dan macht, weiss er selbst noch nicht genau. Ihm wird sein Bruder irgendwie helfen. Ich glaube kaum, dass er im Lande bleibt. Edith geht bald fort, ab Hamburg am 20.1.38 auf D. New York - wann sie hier fortfährt, weiss sie noch nicht. Gerda ist seit Monaten schon zur oberen Gruppe zuzuzählen und ist so ungefähr die Mutter der Chewrah.

Was die ehemals Neutralen machen, weiss ich nicht; ausser Micha, der Schlosserei lernt. Ich glaube, Küken und Heiner wissen auch selbst noch nicht, was sie anfangen werden. Und was die Chewrah selbst anbelangt, so hat man sich so gut wie fest entschlossen, mit der Bamaaleh zusammen in Kirjath Anavim Beth auf Hitjaschwuth zu gehen. Soweit zu diesem Thema.

Ich hätte selbst kaum geglaubt, dass Dein Traum, lb. Pips, mich für immer hier in der Chewrah zu sehen, so bald zu Wasser wird. Wie gesagt - es ist nicht meine Schuld, wenn ich auch nach der letzten Entwicklung der Dinge, d. h. nach dem Zusammenschluss, nichts daran zu bedauern habe. Um mich selbst braucht Ihr Euch nicht zu sorgen. Ich werde das machen, was für mich gut und richtig ist.

Damit für heute genug. Mit vielen herzl. Grüßen und Küsse
Euer Ernst.