Ernst Loewy an seine Eltern, 27. November 1937
Kirjat Anavim, Samstag, den 27.11.37.
Meine Lieben!
Recht vielen Dank für Eure beiden Briefe vom 14. und 15. Nov., die anfangs der Woche erhielt. Doch muss in der vorigen Woche ein Brief verlorengegangen sein, da der letzte Brief vom 30.10. datier war, also genau 14 Tage zwischen diesem und den letzterhaltenen liegen. - Auch Euren sehr hübschen Kalender erhielt ich, wofür ich Euch vielmals danke. Die Wurst, sowie einen Brief von Richard habe ich noch nicht erhalten. Auf einen Brief von Richard warte ich mit grösster Spannung, da ich doch annehme, dass er in den nächsten Tagen schon kommt. - Edith fährt hier entweder am 8.12. oder 15.12. weg. Da ich Richard nicht abholen brauche, bringe ich Edith dann jedenfalls nach Haifa, und bleibe vorher wahrscheinlich noch einen Tag mit ihr in Tel-Aviv, komme eventuell auch nochmals nach Hadar, da sie sich in Ramatajim von ihren Bekannten (Du erinnerst Dich noch an die junge Frau?) noch verabschieden will. - Was die Unsicherheit auf den Strassen anbetrifft, so ist das allerdings längst nicht so schlimm, wie Ihr zu glauben scheint. Die Egged fährt wie immer jede Viertelstunde - nicht, wie in den Unruhen, in Kolonnen - und auch die Strecke Jerusalem-Haifa wird, wie immer befahren. Also gefährlich zu fahren ist es durchaus nicht. Ich war auch diese Woche mittags wieder mit Edith in Jeruschalajim, wo sie wieder alle möglichen Besorgungen zu machen hatte. Ihre Sache kommt so allmählich ins Rollen. Ausser der Fahrkarte Haifa-Triest-Frankfurt hat sie nun alles beisammen.
Dass Ihr Euch des Mordes wegen Sorgen gemacht habt, konnte ich mir schon denken - doch hörte ich, dass die Jugendhilfe an alle Eltern schreiben würde, was nun scheinbar nicht geschehen ist, da Ihr nichts davon berichtet. Genau darüber geschrieben habe ich Euch ja schon, auch steht jedesmal in der Rundschau noch eine Menge darüber. - Dreissig Tage nach dem Todestag, 9. Nov., wird an der Stelle des Mordes der Grundstein zu der neuen Kwuzah gelegt, die dann wahrscheinlich bald oben auf Hitjaschwuth geht, höchstwahrscheinlich zusammen mit dem Garin unserer Gruppe, sowie einer jungen Gruppe der „Witkinia“ aus Chulda. Die Arbeiten an der Straße sind seit dem Morde dauernd fortgesetzt worden, allerdings nicht mehr mit 5, sondern mit über 20 Menschen, die zum Teil aus allen möglichen Kwuzoth zur Hilfe geschickt wurden. - Die Frau des erschossenen Hilfspolizisten Jizchak Migdal hatte zwei Tage nach dem Morde dort angefangen, wo ihr Mann erschossen wurde - als erste, um das Werk ihres Mannes fortzusetzen. Das ist Mut und Idealismus, den es nur in Palästina gibt. - Neuigkeiten habe ich für heute keine mehr. Mir geht's wie immer ausgezeichnet. An Negativen schickt mir bitte zunächst, das Bild mit Pips, Fritz und mir und das mit den Leuten meines Zimmers.
Für diesmal also genug. Mit vielen herzl. Grüssen und Küssen und Gut Chanukah
Euer Ernst.