Ernst Loewy an seine Eltern, 16. Dezember 1937

Kirjat Anavim, Donnerstag, den 16.12.37.

Meine Lieben!

Nachdem ich ein paar hübsche Tage und einen schmerzvollen Abschied hinter mir habe und wieder einigermassen in meine gewohnten Gleise zurückgekehrt bin, finde ich Musse, Euch über alles ausführlich zu schreiben. Euren Brief vom 5.12. habe ich unterdessen erhalten und mich sehr damit gefreut. Was Euch wohl am meisten interessiert, ist wohl meine Begegnung mit Onkel Richard. Doch muss ich Euch enttäuschen und mitteilen, dass ich ihn noch nicht so recht ausführlich sprechen konnte, was ich erst in etwa acht Tagen kann, wenn er für ein paar Tage zu mir herauskommt. Aus unserer gemeinsamen Fahrt nach Tel-Aviv ist leider nichts geworden, da er erst sehr spät in Jerusalem weggefahren ist - doch haben wir ihn schon am Montag morgen in Tel-Aviv gesprochen, wo ich mich mit ihm in der Wohnung von Otto Lehmann verabredet hatte. Doch wie schon gesagt waren wir nur kurze Zeit zusammen und könnt Ihr Euch denken, dass wir uns eine Menge zu erzählen hatten von Vergangenem und Zukünftigen. Er sieht ausgezeichnet aus, hat sich kaum verändert und ist vom Lande begeistert. Ich hoffe Euch bald näheres über ihn mitteilen zu können. - Unsere gemeinsame Karte aus Tel-Aviv werdet Ihr erhalten haben.

Da sich Edith bei ihren Bekannten in Ramatajim noch verabschiedet hatte, war ich nochmal in Hadar, wo ich bei Richard Bruckmann sogar eine Nacht übernachtet habe. Bei Bruckmanns kommt in einigen Tagen noch ein Kleines an, und ist man sehr gespannt, ob es ein Junde oder ein Mädchen ist. Auf meinem diesmaligen

Besuche habe ich nun auch die alten Krefelder Bekannten wiedergesehen. Ruth Salomons wohnt jetzt in einem Zvif direkt neben Bruckmanns, Willi assistiert an der Kupath Cholim in Kfow Saba - und Lotte Fernich wohnt ganz in der Nähe von den Leuten in Ramatajim, wo wir beide damals waren. Sie sagt, sie hätte sich wahnsinnig geärgert, als sie gehört hat, dass Du, Pipslein, dort warst und sie nicht gefunden hast - ihr geht es scheinbar ganz gut und ist mit einem sehr netten jungen Mann verheiratet. Ich soll Euch recht vielmals von ihr grüssen. - In Haifa waren wir zwei Tage und haben auch Mendels besucht, wo wir augezeichnet zu Mittag gespeist haben - ihnen geht es immer noch sehr gut; sie haben sich jetzt einen Radioapparat angeschafft, der in Deutschland über 1000 M kostet, und für den sie 30 ₤P bezahlt haben, ein grossartiger Apparat, mit dem wir mittags um 12 Uhr Japan gehört haben. - Abends war ich mit Edith im Kino, wo wir einen ziemlich kitschigen Film, „Premiere“, gesehen haben. Ja, und dann kam der Abschied.

Auf Euren Brief ist nicht viel zu sagen. Ich freue mich, dass es Euch gut geht, und dass Vater mal wieder ein paar nette Ferien hat. Auch von mir nichts neues sonst - mir geht es gut und freue ich mich auf ein paar hübsche Tage mit Richard. Von der Hubertusstr. erhielt ich einen Brief, für den ich vielmals danken lasse. Eine Wurst von Euch habe ich ausser einer, von den Tanten, nicht bekommen.

Damit für heute genug. Tausend Grüsse und Küsse
von Eurem Ernst.

Ein Negativ von Vater (in Holzschuhen) und mir habe ich bisher nicht erhalten.