Ernst Loewy an seine Eltern, 25. Dezember 1937
Kirjath Anavim, am 1. Weihnachtstag.
Meine Lieben!
Leider muss ich Euch mit meinem heutigen Briefe schon wieder enttäsuchen, insofern nämlich, dass Richard immer noch nicht hier gewesen ist. Ihr könnt Euch vorstellen, dass auch ich hier in der grössten Erwartung bin - ich nehme aber an, dass er jetzt doch in den nächsten Tagen kommen wird. In Tel-Aviv sagte er mir schon, ich müsste mich schon ein wenig gedulden, da er selbst noch eine Menge Dinge zu erledigen hat, und ihm nicht böse sein, wenn es noch etwas dauert, bis er kommt. Na, lange kann es ja nicht mehr dauern, und hoffe ich, dass er bald hier sein wird.
Von hier, wie gewöhnlich nicht viel Neues. Die Regenzeit scheint jetzt endlich anzufangen, nachdem wir ausser ein paar Regentagen im November, bis Mitte dieser Woche das herrlichste Wetter hatten - regelrechtes Frühlingswetter, die Blumen begannen schon zu blühen. Jetzt wird es allmählich grau, wenn es auch noch kaum regnet. - Meine Arbeit ist für eine Woche wieder Verbindungsschomer, ganz angenehm zwischendurch, da man sich mal wieder gut ausruhen kann.
Meine Freundin Edith ist nun schon längst in Deutschland und wird Euch von dort sicherlich einmal schreiben. Sie hat mir noch ein schönes Abschiedsgeschenk gemacht, und zwar den „Zauberberg“ von Thomas Mann, den ich mir schon immer gewünscht habe.
Und nun zu Eurem lb. Briefe vom 10.12., den ich, wie immer, pünktlich erhielt. Ihr schreibt, dass Helmuth Frank jetzt nach Amerika ginge - ich bitte Euch mir einmal seine Adresse zu schreiben; ich möchte gerne wissen, wo er ist. Was Ihr von der Schwester von Frau Herz aus Coesfeld schreibt, ist wirklich mehr als komisch - doch bin ich der junge Herr Loewy, den sie im Auto mitgenommen
Zum Jahreswechsel (der dritte schon, den wir nicht zusammen verleben) alles Gute!
haben will tatsächlich garnicht gewesen, denn erstens war ich an dem bestimmten Tage garnicht in der Stadt, zweitens habe ich schon Gtt. weiss wie lange nicht mehr getrempt, sondern bin stets mit unserm Auto oder der Eged gefahren und bin überhaupt niemals ausser damals mit Dir und einmal mit Edith bei Hans Beit gewesen. Jedenfalls ist die Sache sehr komisch, da es ausser mir keinen Menschen namens Loewy hier gibt, und Hans Beith mich auch keineswegs erwartet haben kann.
Was Ihr über Ruth und Willi Salomons, sowie Lotte Fernich verh. Weiss geschrieben habt, habt Ihr unterdes ja auch schon von mir gehört - Willi Salomons übrigens ist nicht im Kibbuz, sondern in Kfor Saha an der Kupath Cholim, und Lotte Fernich ist nie im Kibbuz gewesen, sondern solange sie hier ist, in Ramatajim - wir hätten in Tel-Jossef also noch recht lange warten können.
Dass es Mendels schlecht gehen soll, ist grosser Unsinn: wie ich Euch schon das vorige Mal schrieb haben sie sich noch vor kurzem für 30 ₤P einen Radioapparat gekauft - sie klagen nur über den Hauswirt, der ein grosser [..] sein soll. Wahrscheinlich kommt Mendel übrigens bald in eine Metzgerei von Jonas in Achusah mit noch günstigeren Bedingungen.
Dann was die Bilder anbetrifft: Das Negativ mit Speyers habe ich nie erhalten, sondern nur einen Abzug. Das Negativ von dem Bilde mit Werner und mir befindet sich bei Karpers in Hamburg - ich werde Werner bitten, es sich senden zu lassen - und Piel erinnert sich nicht daran, jemals Aufnahmen von Dir gemacht zu haben. Falls Du die Negative von den Bildern, um die ich Dich noch gebeten habe (das Bild mit Fritz und das Bild von den 4 Leuten meines Zimmers) noch nicht an mich gesandt hast, so bitte ich Dich es nach Frankfurt zu senden, dass Edith sich die Bilder machen lassen kann und mir nachher die Negative sendet.
Was übrigens Zwi anbelangt, so ist er seit dem damaligen Vorfall kein Korporal mehr, da ihn die Regierung für den Mord verantwortlich macht (natürlich ungerechterweise). Nun Schluss. 1000 Küsse Euer Ernst.