Ernst Loewy an seine Eltern, 31. Dezember 1937
Kirjat Anavim, Freitag, den 31.12.37.
Meine Lieben!
Für Eure beiden Briefe vom 18.12. und 22.12. recht herzl. Dank. Dass Ihr gespannt seid einen gemeinsamen Bericht von Richard und mir zu erhalten, kann ich mir wohl denken, und doch muss ich Euch noch einmal enttäuschen, denn Richard ist immer noch nicht hiergewesen - doch habe ich ihn unterdes schon einmal telephonisch gesprochen, und er sagte mir, dass er Anfang nächster Woche jedenfalls rauskäme. Er hatte für sich noch eine Menge Dinge zu erledigen - sowohl in Tel-Aviv als auch in Jeruschalajim, weil er, wie er Euch sicherlich auch schon mitgeteilt hat, hier im Lande bleiben möchte. Ob sich das ermöglichen lässt, wird sich erst dieser Tage herausstellen. Er hofft sehr, dass es gehen wird - doch bitte ich Euch, Euch noch keinen unbestimmten Hoffnungen hinzugeben, denn schliesslich kann es ja auch sein, dass es nichts wird, weshalb ich Euch eigentlich auch vorher noch nicht darüber schreiben wollte. Sobald ich etwas bestimmtes erfahre, werde ich Euch selbstverständlich gleich schreiben. Wenn Richard hier bliebe, wäre das für mich natürlich wunderschön - doch wie gesagt, wollen wir uns die etwaige Freuden dazu noch um wenige Tage aufsparen um nachher nicht etwaige Enttäuschungen zu erleben. Richard sagte mir am Telephon, dass er Euch geschrieben habe - ich hoffe, dass Ihr den Brief erhalten habt - ausserdem haben wir Euch zuammen auch von Tel-Aviv eine Karte geschrieben, die Ihr nicht erwähnt, und die vor meinem Brief vom 16.12. schon angekommen sein müsste.
Nun zu Euren Briefen: Ihr schreibt von zwei Paketen, die nicht angekommen seien - die Schokolade habe ich doch erhalten und gleich bestätigt, so dass also nur die Wurst
verloren gegangen ist - oder, was wahrscheinlich ist, dass die Zollbeamten sie gegessen haben, was hier des öfteren scheinbar zu geschehen pflegt. - Dass Onkel Sali bei Euch ist, freut mich sehr - ich lasse ihn vielmals und herzlichst grüssen - bald sind es schon zwei Jahre her, seit ich in München war. - Was Eure Fragen betreffs meiner Zukunft anbelangt, so will ich überhaupt erst einmal warten, was Richard zu all den Dingen sagen wird, bis ich irgend etwas unternehme. Schliesslich habe ich ja auch noch drei Monate Zeit. - Nötig habe ich im Augenblick garnichts, was man mir mitbringen könnte - vielleicht fällt mir demnächst einmal etwas ein. - Wann der Garin nach oben zieht, weiss ich natürlich noch nicht. Bestimmtes ist überhaupt noch nicht raus in all diesen Dingen. - Bruckmann hättest Du das Bild nicht schicken brauchen, da er es von mir schon erhalten hat. - Was Sulmans anbetrifft, so wird das schon richtig sein, denn vor kurzem ist Herr Sulman gestorben - er ist übrigens nicht Fritzens Schwiegervater, sondern der Schwiegervater der Schwester von Fritzens Frau - also der Schwiegervater von Fritzens Schwägerin. - Von hier gibt es nichts neues. Das Wetter ist mies - es regnet und mir geht es gut, wie immer.
Ich hoffe Euch nun tatsächlich bald mit Richard gemeinsam schreiben zu können und bin bis dahin mit vielen Grüssen und Küssen
Euer Ernst.
Das Negativ erbitte zurück! Auch das Bild von Edith