Ernst Loewy an seine Eltern, 5. Januar 1938

Kirjath Anavim, Mittwoch, den 5.1.38.

Meine Lieben!

Viel könnt Ihr heute nicht mehr von mir erwarten, denn es ist schon spät, und ich möchte bald zu Bett, doch will ich Euch gleich schreiben, da ich weiss wie Ihr auf unsere gemeinsame Post brennt. Richard war leider nicht länger als einen Tag hier - doch Zeit genug jedenfalls um mit ihm das nötigste zu besprechen, auch versprach er mir in nicht allzu langer Zeit wieder herzukommen, oder, wenn er in Jerusalem ist, mich nach dort einzuladen. Was nun seine eigenen Pläne anbelangt, so weiss er immer noch nichts bestimmtes und hat er noch eine Menge Besprechungen mit massgebenden Leuten vor sich. Er hat ja überhaupt das Glück eine Menge der führenden Leute, insbes. der öffentlichen Anstalten, persönlich zu kennen. Ich hoffe, dass es sich machen lässt, doch befürchte ich, dass sich eine endgültige Entscheidung noch lange hinausziehen wird. - Falls er selbst ein wenig Klarheit über diese Dinge hat, wird er Euch auch selbst ausführlich darüber schreiben.

Was nun meine Pläne anbelangt, so hat er Euch schon in kurzen Zügen ein wenig seine Ansicht geschrieben und versprach mir, Euch dieser Tage ausführlichst darüber zu schreiben. Ich habe nun, Gtt. sei Dank, jemanden gefunden, der meine Ansichten über meine Zukunft teilt und es auch für unsinnig hält in der Kwuzah zu bleiben, vor allen Dingen aus rein beruflichen Gründen: weil ich eben keinen Beruf lerne. Und er hält schliesslich die Erlernung eines Berufes für mich für wesentlich. Und dass dieser Beruf nicht Landwirtschaft sein kann, auch darüber ist er sich im klaren. - Das ist die negative Seite. Was die positive anbelangt, so wird er sich bei seinen Freunden und Bekannten nach Möglichkeiten umsehen, und hofft mir durch

seine vielen Beziehungen auf irgend eine Weise behilflich sein zu können. Mehr kann ich Euch im Augenblick nicht dazu sagen. Wartet erst einmal was Richard Euch schreiben wird und gebt dann sowohl ihm als auch mir baldigst Antwort. Ich weiss, dass Du, lb. Vater, wieder sehr enttäuscht sein wirst, doch kann mich das schliesslich nicht davon abhalten, meine eigene Meinung zu diesen Dingen zu sagen, die sich wohl kaum geändert haben. Denn mein Entschluss in die Kwuzah zu gehen, ist mir ja nur aus der Notlage und der Erkenntnis gekommen, dass es effektiv keine andern Möglichkeiten gebe. Doch hat Richard mir inzwischen wieder Grund zu neuen Hoffnungen gegeben. Damit für heute genug.

Herzl. Grüsse und Küsse
Euer Ernst.

Richards Adresse ist in Tel-Aviv:
bei Otto Lehmann
Chowe we Zion street 4
4 [..]

in Jerusalem:
bei Dr. Walter Hirsch
Gaza Road
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