Ernst Loewy an seine Eltern, 30. Januar 1938

Kirjat Anavim, Sonntag, den 30.1.38.

Meine Lieben!

Da ich mich diesmal mit Schreiben ein wenig verspätet habe, schreibe ich Euch diesen Brief mit K.L.M. Luftpost, so dass er doch noch diese Woche ankommt und Ihr nicht vergebens zu warten braucht. Trotzdem dürft Ihr heute nicht viel erwarten - nachdem ich nämlich Anfang voriger Woche wieder aufgestanden bin, habe ich mich einige Tage später wieder hinlegen müssen und liege jetzt an einer kleinen Grippe im Bett. Schlimm ist es nicht, aber ich fühle mich nicht recht wohl. - Eine ausführliche Beantwortung Eurer Post hebe ich mir also noch bis Ende der Woche auf. Ich erhielt inzwischen Euren Brief vom 15.1., den ich Euch heute leider nicht in der Weise beantworten kann wie ich es eigentlich verdiente. Das meiste, was dazu zu sagen ist, habe ich allerdings auch in meinem vorigen Briefe schon gesagt - vor allen Dingen, dass ich Euch immer recht gut verstanden habe und weiss, dass Ihr immer alles gut mit mir meint. - In der vorigen Woche erhielt ich ausserdem noch das Paketchen von Hedwig Kahn, eine Postkarte von Euch und 10 M, für die ich herzlichst danke. Und dann erhielt ich heute Euren Brief vom 20.1., auf den ich Euch doch gleich schreiben wollte, damit Ihr Euch keinen falschen Hoffnungen hingebt. Was Grünfelders nämlich von der Universität schreiben ist grosser Unsinn - ich war nämlich garnicht aus privaten Gründen oben, sondern habe mir an der Bibliothek Bücher umgetauscht. Ich habe mit der Universität überhaupt garnichts zu tun. Und was das Studieren anbelangt, so

Von Tante Trini erhielt ich übrigens auch einen Brief, die sich für meine Gratulationen bedankt.

weiss ich genau, dass so gut wie garnicht daran zu denken ist. Ich hätte Euch selbst niemals darüber geschrieben, weil die Sache viel zu aussichtslos ist um Euch damit zu behelligen. Ihr könnt Euch doch denken, dass ich, wenn die Sache nur ein klein wenig aussichtsreicher wäre, Euch selbst darüber geschrieben hätte. Trotzdem ich also annehme, dass sich daraus nichts machen lässt, habe ich natürlich Richard gebeten, auch hierin sein Möglichstes zu versuchen - und wird er wahrscheinlich zu denselben Resultaten kommen. Trotzdem werden wir immer noch versuchen, was sich machen lässt, doch um es ganz ehrlich zu sagen, habe ich nicht die geringsten Hoffnungen und bitte ich vor allen Dingen Euch, Euch nur nichts vorzumachen. Aber, wenn auch das misslingt, so hoffe ich - und ich glaube auch hier berechtigtere Hoffnungen haben zu dürfen - dass es noch andere Mittel und Wege geben wird, um einen passenden Beruf für mich zu finden. Doch mehr weiss ich hier selbst noch nicht - Richard sieht sich mal nach allen Möglichkeiten um, und hoffe ich ihn bald zu sprechen. Nur dumm, dass ich jetzt gerade zu Bett liege - aber auch das wird wieder werden - keene Bange nich - und damit, wenn es auch nur wenig und reichlich geschmiert ist, für heute Schluss.

Also entschuldigt vielmals, und seid für heute tausendmal gegrüsst und geküsst von
Eurem Ernst.