Ernst Loewy an seine Eltern, 14. Februar 1938

Kirjat Anavim, den 14.2.37. [richtig: 38]

Meine Lieben!

Da ich weiss, dass Ihr wieder mit grosser Spannung auf meine Post wartet, so will ich Euch nicht bis Ende der Woche auf meine Post warten lassen, sondern Euch schon jetzt schreiben, obwohl ich Euch immer noch nichts genaueres mitteilen kann.

Ich war also gestern mit Richard zusammen in der Stadt, wir haben einen sehr netten Tag verlebt, habe ihm eine Menge gezeigt, was er noch nicht gesehen hat und was das wichtigste ist: wir waren bei Hans Beit. Vieles sagen konnte er mir natürlich auch nicht - es wäre sehr schwer Stellen zu bekommen - er wird sich aber bemühen, ein Studium ist natürlich ausgeschlossen. Dasselbe hatte mir Richard auch gesagt. Mit Fritz habe ich inzwischen auch noch gesprochen, und werden sich jetzt eine ganze Menge Leute darum bemühen mir etwas zu besorgen. Richard selbst hat auch soviel getan wie er konnte und wird sich auch weiter umsehen. Ihr seht, die Sache ist recht schwer - aber ich hoffe doch, dass es auf irgend eine Weise wird. Vor allen Dingen muss man hier eines haben: Geduld. Daran, dass ich Anfang April schon eine Stelle habe, denke ich natürlich garnicht - aber es eilt ja auch nicht. Ihr seht: auch Richard selbst muss Geduld haben - auch er hat noch nichts festes - aber er glaubt und hofft, dass es ihm gelingen wird, hier reinzukommen, und kann auch nur geduldig abwarten.

Wegen eines etwaigen Zuschusses Eurerseits habe ich Hans Beit gefragt und sagt er mir, dass er mir einen

günstigen Transfer durch die „Haavarah” besorgen könnte, falls ich ihn einmal nötig hätte - ich bekäme dann für 40 M hier 2 Pfund mit einer Kaufkraft von 30 M. Es gingen also 10 M gleich 25 % verloren, was bei den hiesigen Umständen durchaus günstig genannt werden kann. Falls ich also Geld nötig hätte, würde ich das von hier aus durch Hans Beit erledigen. Das zu Eurer Orientierung - vorläufig ist es ja noch nicht soweit und weiss ich ja auch garnicht, ob Ihr überhaupt in der Lage sein werdet zu bezahlen. - Das wäre alles, was ich Euch an diesen Dingen zu berichten habe und kann auch Euch nur den einen Rat geben: geduldig abzuwarten und hoffen, dass alles klappt. - Richard hat in der Stadt ein paar nette Aufnahmen von mir gemacht, so dass ich mich nicht mehr knipsen lassen muss - wenn sie fertig sind, werde ich sie Euch schicken. - Zu Eurer Beruhigung wegen meiner Krankheit: heute war der Arzt wieder hier und hat mich noch einmal untersucht und festgestellt, dass ich wieder völlig gesund bin und sogar wieder alles essen darf.

Und nun zu Eurem Brief vom 4.2., den ich gestern erhielt und der mir sehr viel Freude gemacht hat. Was die Schuhe anbetrifft, so danke ich Euch sehr dafür, es ist wirklich sehr lieb von Euch - Richard wird mir nun keine kaufen brauchen. Ich befürchte nur, dass graue Wildlederschuhe für hier viel zu schade sind. Auch Eure beiden Tafeln Schokolade habe ich erhalten und danke ich Euch recht herzlich - doch bitte ich Euch mir keine mehr zu schicken, da sich das tatsächlich nicht lohnt extra dafür soviel Porto auszugeben. Ich komme doch jetzt schon recht

häufig in die Stadt, und bekomme hier und dort schon mal was. Also es lohnt sich wirklich nicht, mir so häufig Schokolade zu schicken.

Liebes Mumlein, Du hoffst, auf irgendeine Weise einmal (vielleicht durch Richard) angefordert werden zu können. Diese Hoffnungen muss ich Dir leider völlig nehmen. Ich habe auch darüber einmal mit Richard gesprochen. Wir sehen beide für Euch nicht die geringste Möglichkeit nach hier angefordert werden zu können, bevor ich nicht soviel verdiene um Euch beide ernähren zu können - und ob und wann das sein wird?? Für Euch irgend eine Arbeit zu finden ist ausgeschlossen. Als Kaufmann kann Vater hier (selbst wenn er die Sprachen könnte) nichts machen, weil er mit seinen europäischen und ehrlichen Methoden morgen schon auf der Strasse liegen würde. Dazu ist ohne Geld schon von vornherein alles unmöglich. - Auch das Anfordern in eine Kwuzah hält Richard für Euch nicht möglich - auch wenn ich aus diesem Grunde alleine in der Kwuzah bliebe. Ihr könntet Euch hier nicht einleben, und wäre die schwerste Existenz in Dschl. stets besser als das. Doch hoffe ich (und das vielleicht einmal durch Richards Hilfe) dass es nicht allzu lange mehr dauert bis Du mal herkommst und Dir alles einmal selber ansiehst, liebe Mutter. -

Über unsere Gruppe habe ich ja nun das vorige mal ausführlich geschrieben. Inzwischen hat sich nur eine Neuigkeit zugetragen. Pinchas geht nicht mit auf Hitjaschwuth, da er (angeblicherweise) seine Eltern anfordern muss!!! Aber, wie Du richtig gesehen hast, lb. Pips, haben wir alle für diese Dinge so gut wie nichts mehr übrig, und ist es und ganz gleich, was oben geschieht. - K.L.M. ist eine holländische Flugzeuglinie, die 2 x wöchentlich Post von hier nach Mittel- und Westeuropa befördert und zwar in zwei bis drei Tagen.

Damit für heute genug. Einen Brief dürft Ihr diese Woche nicht mehr erwarten. Viel Grüsse und Küsse also von Eurem Ernst.