Ernst Loewy an seine Eltern, 20. Februar 1938

Jerusalem, den 20.2.37. [richtig: 38]
Sonntag

Meine Lieben,
ich kann Euch heute endlich einmal Freude machen: ich war über Schabbath bei Fritz David eingeladen - und wisst Ihr was? Durch einen ganz grossen Zufall hat man mir eine Lehrstelle angeboten - und zwar in einer Buchhandlung eines Herrn Salingré, der in Dschl. einmal Redakteur der Vossischen Zeitung war. Die Leute suchen einen Lehrjungen, den sie, wenn er sich nun insgesamt bewährt, später als Angestellter dableiben soll. Das Geschäft besteht erst seit kurzer Zeit und hat sich glänzend entwickelt - ich weiss das selber, da ich verschiedentlich dort war und mir Bücher angesehen habe. Das Angebot der Stelle habe ich einem ganz grossen Zufall zu verdanken. Salingré ich ein Verwandter von Benni Salingré; Salingré erzählte ihm, dass er einen Lehrjungen suche und Benni empfahl mich - da mich Salingré kennt (wie gesagt war ich öfter dort) bot er mir die Stelle an, und zwar soll ich schon heute in acht Tagen mit einer Probezeit von 14 Tagen anfangen. Wenn ich mich dann bewähre, sol ich nach Möglichkeit gleich dort bleiben. Ich bin natürlich sofort zu Hans Beit gegangen - er sagte mir, er wolle sich erkundigen, ob für mich die Sache lohnend wäre, ich solle Mitte der Woche wiederkommen, dann werde er mir die Antwort geben und würde er mir dann (wenn er bei der Sache Aussichten für mich sieht) mir nichts in den Weg legen, sofort dort einzutreten, d. h.

also mich für den Rest der zwei Jahre zu disponieren. Auch an Richard habe ich gleich geschrieben, er möchte bald herkommen und soll er, wenn es soweit ist, mit den Leuten den Lehrvertrag machen. Ich bitte Euch, ihm dazu die Vollmacht zu geben. Ein Lehrvertrag ist allerdings hier keine amtliche Sache, doch werde ich darauf bestehen, uns so ein Schreiben anzufertigen - besser ist besser.

Nun aber kommt der Hauptpunkt, der Verdienst vom ersten halben Jahr soll ich 1 ½ ₤P bekommen, dann 2 ₤P, im zweiten Jahre schon 3 ₤P und weiter so, dass ich mich also nach zwei Jahren völlig alleine ernähren kann. Von diesem Geld kann ich natürlich am Anfang noch nicht leben. Ich bitte Euch mir sofort (am Tage, an dem Ihr den Brief erhaltet) zu schreiben, ob es möglich ist mir das weiter zu zahlen, was Ihr augenblicklich bezahlt. 40 M durch Transfer und 10 M durch die Post. Wenn das nicht gehen sollte, ist über die Sache garnicht weiter zu reden. Wegen des Transfers spreche ich Mittwoch mit Hans Beit - über die ungefähren Bedingungen schrieb ich Euch schon. Ich erwarte also wegen des Geldes sofort Antwort mit K.L.M. (d. h. wenn es bei Euch von drüben geht, was ich nicht weiss - zum mindesten aber mit gewöhnliche Luftpost. Die Probezeit fange ich eventuell auch schon ohne Eure Antwort an. Ich hoffe jedenfalls, dass Ihr die Sache mit dem Geld machen könnt (die Gerüchte, über die ich Euch schrieb, haben sich Gtt. sei Dank als nichtig herausgestellt). Übrigens möchte ich Euch bitten, die Sache noch nicht als fest anzunehmen, erstens muss ich auf Beits

und Richards Zusage warten. Ohne Beits Zusage lässt sich ja nicht machen, da er mir den Transfer [..] dann besorgt, wenn er meine Pläne gutheisst. Ausserdem hat er ja auch ein besseres Auge für diese Dinge als ich. Die Stelle ist mir übrigens von vielen Leuten empfohlen worden - und soll Herr Salingré ein sehr feiner zuverlässiger Mensch sein. Ausserdem kommt es ja auch noch auf die Probezeit an, d. h. ob ich aufgenommen werde oder nicht und ob ich selbst etwas von der Sache halte. Ich soll dort regelrecht den Buchhandel erlernen - für Handlangerdienste und Besorgungen ist noch ein Hauptpunkt den und wie mir scheinen will, kann ich dort etwas lernen. Irgendwelche Voraussetzungen ausser wirklichem Interesse an der Sache werden nicht gestellt.

Also nochmals, hoffentlich wird die Sache was, doch bitte ich Euch nicht zu früh zu freuen, da alles ja auch schief gehen kann.

Ich habe gestern und vorgestern ein paar nette Tage verlebt, war gestern abend im Kino („Fräulein Lilli” mit Franziska Gaal) und hörte vorgestern bei Bekannten auf dem Grammophon die 9. Sinfonie von Beethoven.

Ich fahre nun gleich nach Hause und hoffe von Euch einen Brief vorzufinden, den ich Euch dann Ende der Woche beantworte, wenn sich die andere Angelegenheiten auch weiter entwicklet haben.

Für heute 1000 Küsse
Euer Ernst.

Auch ich bin zufällig in der Stadt und grüße Sie vielmals herzlichst
Ihr Werner.