Ernst Loewy an seine Eltern, 23. Februar 1938
Kirjath Anavim, Mittwoch, den 23.2.38.[!!]
Meine Lieben,
dass mir Dein Luftpostbrief vom 17. 2., liebe Mutter, keine Freude gemacht hat, könnt Ihr Euch denken. Jetzt heisst es erst recht: Kopf hoch!!! Alles Plärren und Gejammer nützt doch nichts. Wir müssen weiter versuchen und versuchen - Ihr sowohl als auch ich. Es ist jetzt die erste Minute nach Erhalt Deines Briefes, dass ich mal auf meinem Pop sitze. Sofort nach Erhalt des Briefes bin ich gestern Mittag zu Richard nach Tel-Aviv gefahren, habe ihn dort nachmittags gesprochen und bin heute morgen von dort gleich nach Jerusalem zu Hans Beit gefahren, und bin jetzt vor einer Stunde platschnass (es regnet sehr heftig) nach Hause gekommen und will Euch gleich schreiben. Mit Richard habe ich natürlich hauptsächlich über meine Sache gesprochen - ob es sich auch ohne lange Zuwendungen Eurerseits ermöglichen lässt, die Stelle bei Salingré anzunehmen. Er, und was ich schon vorwegnehmen will, später auch Hans Beyth, waren und sind der Meinung, falls ich zum mindesten bis Juni von Euch noch etwas zu erwarten habe, ich die Stelle annehmen soll. Kommt Zeit, kommt Rat. Ausserdem versucht er, durch Landauer oder sonst irgend eine Seite irgendwelche Mittel zu erhalten. Wir sind hier alle der Meinung, dass die Sache am Gelde keinesfalls scheitern darf - so gross ist schliesslich die Summe nicht, die ich benötige bis ich das verdiene, was ich zum Lebensunterhalt brauche - es sind das zusammen 30-35 £P innerhalb der nächsten zwei Jahre, eine Summe in deutschem Gelde einschliesslich der Verlustspesen durch den Transfer 600-700 RM - also immerhin kein Vermögen. Schreibt mir bitte sofort, wieviel Ihr eventuell davon aufbringen
könnt, vielleicht auch durch Onkel Sali?! Hier Geld aufzubringen dürfte jedenfalls nicht einfach sein, doch muss ich auch das versuchen und bin ich auch hierin noch nicht ganz ohne Hoffnung. - Ich bitte Euch vielmals zu entschuldigen, dass ich Euch trotz Vaters Kündigung um Geld bitte. Aber schliesslich hängt ja Eure Zukunft auch von meiner ab, und ist Richard ebenso wie ich, der Meinung, dass ich Euch nur dadurch helfen kann, indem ich mir helfe, indem ich versuche, etwas zu lernen, wodurch ich einmal das Brot für mich und später auch für Euch verdienen kann. Auch er ist der Meinung, dass die Kwuzah für Euch unmöglich in Frage kommen kann - und, dass tatsächlich der einzige Weg Euch anzufordern, dass ich lerne und später verdiene. Drum seid mir nicht böse, wenn dieser Brief sehr egoistisch gehalten ist, dass ich stets von mir rede, wo doch Euch an erster Stelle das Unglück widerfahren ist - aber wie gesagt, kann ich Euch auf andere Weise nicht helfen, als dass ich sehe, dass ich selbst irgendwie weiterkomme, was ja später auch Euch wieder indirekt helfen soll. Schliesslich kann ich ja auch zu Eurer Lage weiter nichts sagen und tun - Trostworte helfen auch nicht viel weiter, sondern nur vernünftige Überlegungen. - Ich habe mit Richard über meinen Posten gesprochen und hält er, soweit sich jetzt sagen lässt, die Sache für ausgezeichnet, einfach für die ideale Lösung unter den jetzigen Umständen - eine Sache, die nicht schlecht ist, und mich dazu lebhaft interessiert. - Nun zu meiner Besprechung heute mit Hans Beit: auch er ist der Meinung, dass die Sache am Gelde nicht scheitern darf, wenn er den Posten als gut und lohnend erachtet. Erkundigungen konnte er vorläufig noch keine
einziehen, doch wird heute noch eine Sekretärin von Miss Szold, Frau Strauss-Weigert bei Salingré vorsprechen und, da sie morgen sowieso nach Tel-Aviv fährt, sich auch mit Rich. unterhalten und dann zum mindesten den prinzipiellen Schluss ziehen, ob ich die Stellung annehmen soll oder nicht. Die Finanzierung ist dann erst eine zweite Sache, die aber schliesslich auch in grösstmöglicher Eile erledigt werden muss, da der Posten bald besetzt werden muss, und es ohne eine finanzielle Sicherstellung, wenigstens für die nächste Zeit, unsinnig wäre, dort anzufangen. Über die prinzipielle Entscheidung erfahre ich dann durch Richard oder spätestens am Sonntag durch Frau Strauss persönlich. Wenn es sich irgendwie ermöglichen lässt, kommt Richard auch nächste Woche nach Jeruschalajim (er hat augenblicklich sehr viel zu tun). Hoffentlich erfahre ich auch gleichzeitig mit der prinzipiellen Entscheidung auch etwas über die Möglichkeiten einer Finanzierung. Wenn alles klappt, so wie ich es mir wünsche, könnte ich dann doch noch Mitte der nächsten Woche meine Probezeit beginnen. Fritz David bemüht sich übrigens auch bei der H.O.G. um einen etwaigen Zuschuss oder dergl. - Dass Ihr mir gleich antwortet (vorläufig stets mit Luftpost) ist ja klar. Für Euer Päckchen, das ich mir in Tel-Aviv bei Kaufmanns abgeholt habe, herzlichsten Dank. Und jetzt nochmal Kopf hoch! und chasak! Ich hoffe doch noch, dass alles klappen wird und der Pips auch dort noch etwas finden wird. Hier habe ich ja eine ganze Reihe von Menschen hinter Dampf gesetzt - und wenn dann die Lokomotive nicht fahren will, dann kann man sich nur noch damit trösten, dass man eben in Palästina ist.
Also, meine Lieben, den Kopf nicht hängen lassen und weiter versuchen - Euer Ernst.