Ernst Loewy an seine Eltern, 5. März 1938

Kirjat Anavim, den 5.3.38.

Meine Lieben,

so, nun komme ich endlich dazu, Euch ausführlich über meine Dinge zu schreiben. Ich war jetzt einen Tag in Tel-Aviv und habe dort schon soweit meine Sachen geordnet. Ich habe eine Lehrstelle in der Buchhandlung Liberté auf der Allenbystr. Eine der grössten und besten Buchhandlungen in Tel-Aviv - nach deutschen Begriffen allerdings sehr klein. Ich fange dort übermorgen an, und mache zuerst einen Monat zur Probe und bekomme dafür vorerst mal ein Pfund. Mit der Zeit werde ich dann allmählich mehr verdienen, was hauptsächlich davon abhängt, wie ich mich dort schicke. Es sind dort sehr nette Leute - den Chef kenne ich noch nicht, da er im Augenblick nicht dort ist, doch veranlasst hat in seiner Abwesenheit einen Lehrling anzustellen. Ausser dem Chef, einem Herrn Stein, ist noch ein älterer Herr namens Kaufmann dort und ein junger Angestellter, Dr. Ass aus München - beides sehr nette Leute. Man hat mir versprochen, dass ich dort alles lernen solle, d. h. also auch den kaufmännischen Betrieb, Buchführung etc. Der Buchhandlung ist ausserdem eine Leihbücherei angegliedert, wo ich natürlich auch zu arbeiten habe. Gestern morgen habe ich, da ich in Tel-Aviv gerade ein paar Stunden Zeit hatte, schon ein bissel gearbeitet, im Geschäft selbst und auch schon ein paar Gänge gemacht - und gefällt mir die Sache sehr gut.

Wo ich wohne weiss ich selbst noch nicht. Ich muss mir noch einen jungen Mann suchen, mit dem ich

zusammen ein Zimmer mieten werde, wozu Frau Strauss-Weigert, die in Tel-Aviv wohnt, mir behilflich sein wird. Bis dahin wohne ich bei einer Bekannten von ihr, deren Mann augenblicklich für längere Zeit in Europa ist, und die mir solange ein Zimmer zur Verfügung stellen kann, bis ich ein passendes Zimmer gefunden habe. Da ich vorläufig also noch keine Adresse habe, bitte ich Euch Eure Briefe (bis ich Euch etwas anderes schreibe) zu adressieren wie folgt:
Herrn Errell
(für Ernst Loewy)
Carnia-house
Tel-Aviv
Jehoashstreet.

Morgen fahre ich nochmals zu Hans Beit, um mit ihm über die finanzielle Sache - Transfer etc. - zu sprechen, und werde Euch gleich darüber schreiben.

Meine Sachen habe ich schon gepackt. Vorläufig nehme ich nur für vier Wochen mit und komme anfangs April noch mal für ein paar Tage hierher um die Abschiedsfeier mitzumachen und meine andern Sachen abzuholen. Gestern abend haben wir für uns schon eine kleine private Abschiedsfeier mit 5 Leuten gemacht, zu der ich Wein, Obst und Zigaretten spendiert habe.

Das wäre für heute alles. Seid vielmals gegrüsst und geküsst von Eurem
Ernst.

Ich habe übrigens einen neuen Anzug gekauft, graue Farbe mit langer Hose - sehr hübsch, für nur 1,350 £P. (ca. 20 M)