Ernst Loewy an seine Eltern, 12. März 1938

Tel-Aviv, Samstag, den 12.3.38.

Meine Lieben,

Ihr dürft mir wirklich nicht böse sein, dass ich Euch erst heute schreibe, nachdem ich beinahe schon eine Woche hier bin - aber ich konnte bisher noch nicht dazu kommen, da ich dauernd nach einem Zimmer suchen musste, buchstäblich jede freie Minute dafür hergeben musste und abends todmüde ins Bett fiel. Gestern habe ich endlich ein nettes kleines Zimmer gefunden, wo ich mit noch einem jungen Mann zusammen wohne, auf der King-George- Straße 44. Zu zahlen habe ich für den Monat 0,775 ₤P. mit Licht, Wasser und Mitbenutzung des Badezimmers. Die Leute haben im Hause ein kleines Tnuvah-restaurant, wo ich sehr billig essen kann, so dass nach meiner Schätzung Wohnung und Essen etwas mehr als 3 ₤P kosten wird. Dazu kommt dann noch die Wäsche und kleine Ausgaben, so dass ich hoffe mit dem überwiesenen Gelde und meinem Verdienst gerade auskommen zu können. Das Zimmer ist natürlich unmöbliert und muss ich mir eine Couch und einen Schrank kaufen, was man hier allerdings spottbillig bekommen kann. Eine neue Couch habe ich mir schon für 0,900 ₤P erstanden und ein Schrank wird auch nicht mehr kosten. Das wird jedenfalls alles klappen. Längere Zeit lässt es sich schon so aushalten. Schliesslich hoffe ich ja auch bald ein bissel mehr zu verdienen, so dass Ihr mir weniger zu schicken braucht, und dass ich mir auch in absehbaren Zeiten mal ein Zimmer für mich mieten kann.

Den Transfer habe ich Anfang der Woche schon beantragt, und hat man mir gesagt, dass Ihr garnichts unternehmen braucht, bis Ihr von selbst von der PALTREU Bescheid bekommt, die schon von hier aus informiert wird. - Ausserdem habe ich gehört, dass es möglich

ist, dass wenn Ihr Geld transferiert, Ihr nicht ausserdem noch 10 M durch die Post schicken dürft. Falls das stimmt, bitte ich Euch also 50 M bei der PALTREU einzuzahlen. Doch ist mir die Postüberweisung lieber, weil ich mehr Geld dafür erhalte.

Gestern habe ich auf der Strasse zufällig Herrn Kaufmann getroffen. Er hat mir noch wenig von Euch erzählt und habe ich mich mit ihm heute mittag um 5 Uhr bei Richard verabredet und können wir gleich alles zusammen besprechen. Was ich Euch schon sofort sagen möchte: die Hoffnungen, die er hat, eine Möglichkeit zu finden, ohne Mittel herzukommen, habe ich nicht. Doch über all das erst dann, wenn ich mal ausführlich mit ihm gesprochen habe. Vorläufig mal recht vielen Dank für die Grüsse und das Mitgebrachte, was sich allerdings in Kirjat Anavim befindet.

Was ich Euch noch gleich sagen möchte, damit ich es nicht vergesse: meine Adresse ist:
Ernst Loewy
Bookstore „Liberté“.
Tel-Aviv
Allenbystreet 61. P.O.B. 4020

Wenn Ihr schreibt, schreibt also ans Geschäft und nicht in meine Wohnung. P.O.B. 4020 ist die Nummer des Postfachs - die Strasse könnt Ihr also auch weglassen.

Und jetzt will ich über das schreiben, was Euch doch wahrscheinlich am meisten interessiert: über meine Arbeit. Viel lässt sich garnicht darüber sagen, nur das eine: dass es mir ausgezeichnet gefällt und dass ich sehr froh bin, dass alles so gekommen ist. Was eine Buchhandlung ist, und was es für Arbeiten dort gibt, brauche ich Euch ja nicht zu sagen. Da Vater selbst einmal Teilhaber in einer Buchhandlung war, kennt Ihr schliesslich noch mehr davon als ich, der ich erst eine Woche dort

gearbeitet habe. Ausser der Buchhandlung ist auch eine Leihbücherei da, wo noch mehr Arbeit als in der Buchhandlung ist und wo ich zeitweilig schon selbständig arbeite. - Die Leute sind sehr nett - besonders auch der Chef, der inzwischen von seiner Reise zurückgekehrt ist und ein besonders feiner Mensch zu sein scheint. Seine Frau spielt übrigens eine führende Rolle in der Wizo. - Was ich vor allen Dingen sehe ist, dass die Leute Vertrauen zu mir haben. Schon am ersten Tage habe ich auf der Bank eine grössere Summe abheben müssen, habe sofort einen Einblick in die Buchführung und den Stand der Geschäfte bekommen und s. w. - Die Arbeitszeit ist für mich von 8-1 und von 3-7, Freitags von 3-5, Schabbath ganz frei. Da mein Zimmer nahe am Geschäft liegt, kann ich auch mittags nach Hause gehen, und wie schon gesagt, esse ich ja auch dort. Das wäre eigentlich alles. Alles in allem zusammen also bin ich sehr zufrieden.

Euren Brief vom 1.3. habe ich natürlich schon längst erhalten. Was Ihr schreibt, wusste ich jedoch schon von Richard und habe ich nichts mehr darauf zu antworten. - Weil Ihr schon so lange wartet, will ich Euch heute nochmal mit K.L.M. schreiben - nachher muss ich wieder sparen. - Heute mittag also treffe ich Herrn Kaufmann und bin natürlich sehr gespannt auf das, was er mir zu erzählen hat. Ich werde Euch bald wieder schreiben und bin für heute mit vielen Grüssen und Küssen
Euer Ernst.