Ernst Loewy an seine Eltern, 3. April 1938
Tel-Aviv, den 3/4.38. Sonntag
Meine Lieben,
als ich heute morgen aus Kirjat Anavim wiederkam fand ich einen Brief von Euch vor, eine Karte und zwei Päckchen, für die ich Euch vielmals danke. Ebenfalls erhielt ich in Kirjat A. von Frau Lilienfieldt den Gürtel und die Schokolade, sowie die Dinge, die Herr Kfmann mir mitgebracht hat. Ausserdem erhielt ich 2 x 10 M. Für alles zusammen nochmals herzlichsten Danke. Ich bin jetzt in meiner neuen Wohnung; und nun schon völlig eingerichtet. Die Couch habe ich mir gekauft, und meinen ganzen Kram aus Kirjath Anavim habe ich mir mitgebracht. In Kirjath Anavim war ich am Freitag und Samstag, in Jerusalem heute morgen, und heute mittag habe ich mich endgültig eingerichtet. Eine Feier hat in Kirjath A. nicht stattgefunden - nur ein paar Reden und ein paar Sprechchöre ausgenommen, da durch den Unglücksfall mit Dan so etwas ausgeschlossen war. Dazu kam noch, dass vor einer Woche Werners Mutter gestorben ist, so dass der ganze „historische Augenblick” von der Beendigung unserer Hachscharahzeit in aller Ruhe verlaufen ist. Der Garin ist sofort zum Bamaaleh umgezogen und wohnt dort in Zelten, während die meisten der andern Leute bis sie sich einordnen werden in unserm Hause wohnen bleiben. In spätestens zwei Monaten soll eine neue Jugendalijah dorthin kommen. - Dan geht es nicht gut. Die Verletzung an der Hand ist weniger schlimm als die Unterleibsverletzung, die operiert werden muss, doch ohne grosse Hoffnung zu haben, dass sich die Sache so einränken lässt wie es sein müsste. Lebensgefahr besteht keine, doch ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Geschlechtsfunktionen
auf immer gestört sind und dass er den Urin durch eine Verbindung von der Blase mit dem Mastdarm nach hinten abgeben muss. Vielleicht allerdings lässt sich durch eine Operation die Sache noch einränken. Karuso hat nur ein paar Schrammen abbekommen und arbeitet schon wieder.
Lotte war auf ihrer Reise nach Amerika nur auf einen Abstecher von einem halben Tag hier, und habe ich sie garnicht gesehen. Doch will sie auf der Rückreise länger hier bleiben. - Von Edith erhielt ich übrigens auch Post - ich soll Euch grüssen. - Wenn Ihr mir wieder Geld schickt, so schreibt bitte an die Adresse:
Ernst Loewy
Liberté Bookstore
P.O.B. 4020
Tel-Aviv
!!! → Post Allenbystr.
Es gibt in Tel-Aviv nämlich zwei Postämter. Wenn man nichts dazu bemerkt, gehn die Sendungen an die Hauptpost - und bis dahin ist für mich ein weiter Weg, während ich in die Post auf der Allenbystr. fast täglich komme. - Meine Privatadresse ist
Kirjath Seferstr. 12
c/o Hake
doch schreibt mir nur [..] weiter ins Geschäft.
Und nun, lb. Mümlein, gratuliere ich Dir zu Deinem Geburtstage. Bleib recht gesund und komm uns bald besuchen. Lass Dir alles Gute wünschen und dazu einen dicken Geburtstagskuss.
Und nun seid mir nicht böse, dass es heute nicht mehr ist. Ich bin ziemlich müde und habe Kopfweh.
Was ich noch vergass: Mendels waren auch in K. A. Er hat seine Stellung verloren, da der Jonas Pleite gemacht hat oder sowas.
Und was ich Euch auch noch schreiben wollte: mein erstes Gehalt habe ich schon erhalten.
Was Ihr sonst noch wissen und erfahren wollt, sowohl über Richard als auch über mich, könnt Ihr alles von Kaufmann hören. Richard hat vor einigen Tagen übrigens einen grösseren Auftrag bekommen. Und damit nun Schluss.
Liebes Mümlein, besonders Dir, und Euch allen viele herzl. Grüsse und Küsse
von Eurem Ernst.