Ernst Loewy an seine Eltern, 9. April 1938

Tel-Aviv, Samstag, den 9.4.38.

Meine Lieben,

dass mir Euer Luftpostbrief vom 1. 4. und Pipsleins Karte aus Berlin die grösste Freude gemacht haben, könnt Ihr Euch ja denken. Das erste, was ich getan habe, war, dass ich gleich Richard angerufen habe, der sich natürlich auch sehr gefreut hat. So sind wir wenigstens alle, wenigstens für vorläufig, eine grosse Sorge los. Dass Du, liebes Mümlein, nun schon für Deine Reise hierher sparen kannst, freut mich riesig. Wenn Ihr glaubt, dass ich mit meinem Gelde schlecht auskomme, so irrt Ihr - ich werde stets gerade so viel haben, wie ich brauche; auch sind meine Ersparnisse noch nicht zu Ende. Und mit dem Transfer hoffe ich ja, dass es klappen wird. Wie Ihr wisst, dürft Ihr bis drei Pfund einzahlen.

Was für eine Firma ist das, die Vater nun neu hat - auch Kunstseide? Schreibt einmal ausführlich darüber. Hoffentlich klappt alles damit, und dass der Pips sich vor allen Dingen gut einarbeitet. Mit meiner Arbeit bin ich sehr zufrieden. Ihr fragt, was für Arbeiten ich tun muss. Saubermachen zum Beisp. nicht, denn dafür haben wir eine Putzfrau, sonst alle Arbeiten, die irgendwie vorkommen: Verkaufen, in der Leihbücherei arbeiten, im Kontor arbeiten, ein bischen Buchführung, einige Gänge machen (kassieren, zur Bank gehen, mal ein Buch fortbringen oder beim Grossisten oder Verleger besorgen). Gestern war ich zum Beispiel im Ramat Gan um eine Besorgung dort zu machen u.s.w. - Stein fährt Ende der nächsten Woche fort, und zwar hauptsächlich als Vertreter der hiesigen Verleger um in Amerika palestinesische Bücher abzusetzen. Seinen Laden behält er selbstverständlich. Nachdem in der vorigen Woche

das Geschäft saumiserabel war, geht es jetzt sogar ganz gut und hätten wär, wenn es immer so wäre, wohl kaum zu klagen. Auch in meiner neuen Wohnung habe ich mich gut eingelebt und bin auch hiermit sehr zufrieden und habe es sehr schön. Auch wohne ich in einer sehr schönen Lage, direkt am Rande der Stadt und sehe in der Ferne aus meinem Fenster die judäischen Berge, die nun zwei Jahre lang Heimat waren. Aus Kirjath A. habe ich inzwischen nichts gehört. Wahrscheinlich wird mich Werner über Pessach besuchen - meine Leute hier werden verreisten - und so habe ich Platz genug noch jemand unterzubringen. Ich habe Euch übrigens vor ein paar Tagen eine Hagadah geschickt - eine ganz neue - hoffentlich macht sie Euch Freude. - Ich bin jetzt in die Kupath-Cholim und Histadruth eingetreten und habe monatlich einen Beitrag von 0,150 ₤P zu bezahlten, was wirklich nicht viel ist.

Neues habe ich Euch sonst garnicht zu schreiben. Hier in der Stadt vergeht ein Tag wie der andere. Heute abend bin ich bei Löwenthals (den Kindern von Kaufmanns) eingeladen. Ich habe die Alten, seit ich hier bin, noch nicht gesprochen. Bald werden sie ja wieder nach Krefeld fahren und Euch mal wieder ein bissel erzählen können. Frau Lilienfeld hat ja vor, noch einige Wochen hierzubleiben. Sie wird mich, bevor sie fortfährt, auch nochmal in Tel-Aviv besuchen. - Vor ein paar Tagen habe ich einen älteren Herrn besucht, mit dem ich vor zwei Jahren auf der Tel-Aviv gefahren bin, (die Tel-Aviv ist übrigens vor einigen Wochen untergegangen im grossen Ozean) und es stellte sich heraus, dass er Richard in Saarbrücken vor 20 Jahren kennengelernt hatte. Richard kennt überhaupt die ganze Welt. - Ich habe vor ein paar Tagen Arnold Zweig kennengelernt, der bei uns im Geschäft Kunde ist. Auch Sammy Gronemann (der Verfasser von Tohuwabohu) ist Kunde bei uns. - Nun Schluss für heute. Ich gehe jetzt ein wenig zu Richard.

Herzl. Grüsse und Küsse Euer Ernst.