Ernst Loewy an seine Eltern, 16. April 1938

Tel-Aviv, Samstag, den 16.4.

Meine Lieben,

nach Eurem lieben Briefe, der mir die Nachricht von Vaters neuer Position brachte, habe ich leider nichts mehr von Euch gehört, hoffe jedoch morgen Post zu erhalten. Inzwischen las ich nur den Brief der lb. Grosseltern an Richard. Von hier ist wenig zu berichten. Heute ist scheussliches Wetter - ein ekelhafter Chamsin, der einen sehr schlapp macht. Ich habe Besuch von Werner aus Kirjath Anavim, mit dem ich gestern abend von Richard zum Essen eingeladen war und heute in Sarona anstelle eines Mittagessen eine Schinkenstulle gegessen habe mit einem Glas echten Münchener Kindlbräu, was mir, wenn ich ehrlich sein will, noch besser geschmeckt hat als Mazze mit Pökelfleisch und Meerrettich.

Vom Geschäft weiss ich auch wenig neues. Herr Stein ist vorgestern losgegondelt und sind wir jetzt nur noch zu dritt im Geschäft. Es geht übrigens augenblicklich ganz gut und können wir nicht klagen.

Ich bin heute mit Werner ganz alleine in der Wohnung - meine Leute sind fort, und habe ich die Wohnung ganz für mich. Es ist überhaupt hier nicht so, dass ich nur in meinem gemieteten Zimmer sein kann, sondern ich bin hier ein regelrechtes Familienmitglied, und kann die ganze Wohnung mitbenutzen. Die Leute sind sehr nett und bin ich sehr zufrieden, dass sich alles so getroffen hat. Wir haben auch ein kleines Stückchen Landwirtschaft - einen kleinen Gemüsegarten, wo die Frau sich ihr Küchengemüse selber zieht. Ausserdem schaue ich von meinem Fenster sofort auf die Felder von Sarona, das hier ganz in der Gegend ist.

Gestern war ich nochmals bei den alten Kaufmanns um mich von ihnen zu verabschieden, da sie bald losfahren und um ihnen noch Grüsse von Euch aufzutragen. Bald werdet Ihr sie ja sprechen und mal wieder dadurch etwas von mir hören. - Hoffentlich hast Du, liebe Mutter, Deinen Geburtstag gut verbracht - bald naht schon meiner und ich bin 18 Jahre - Die Zeit vergeht. Falls Ihr mir eine grosse Freude machen wollt, könnt Ihr mir mal eine hübsche Krawatte schicken - aber keine so schwere seidene. An Farbe wäre mir am liebsten grün und grau gestreift.

Nun Schluss für heute. Ihr seht, viel habe ich Euch von hier nie zu schreiben. Es verläuft hier doch ein Tag wie der andere - und das ganze Leben ist kaum verschieden von dem eurigen, wo ich nicht mehr „Chaluz” bin, sondern wieder einen bürgerliche Laufbahn eingeschlagen habe.

Hoffentlich erhalte ich morgen Post. Viele herzl. Grüsse und Küsse
Euer Ernst.