Ernst Loewy an seine Eltern, 22. April 1938
Tel-Aviv, den 22.4.38., Freitag
Meine Lieben,
für Euren lb. Brief vom 8.4., den ich Anfang der Woche erhielt, herzl. Dank. Auch für die beiden sehr schönen Taschentücher und die drei Bilder, die schon vorige Woche von Richard erhielt und Euch zu bestätigen vergessen hatte. - Ich komme gerade von Richard, der mir schon zu meinem Geburtstage eine Krawatte geschenkt hat, die ich sehr gut gebrauchen kann. Er fährt anfangs der nächsten Woche nach Jerusalem und wird eine Woche dort arbeiten - ich soll Euch vielmals von ihm grüssen. - Auch von Neumanns soll ich Euch grüssen, die mich diese Woche zum Abendbrot eingeladen hatten, zu Mazzes mit Pökelfleisch und Meerrettich!!! Ich habe mal wieder genau so gegessen wie zu Hause. Mittags esse ich übrigens jetzt hier - ich weiss nicht ob ich Euch das schon schrieb - die Frau hat einen kleinen „privaten Mittagstisch” zu Hause, wo ich jetzt auch esse. Im Allgemeinen nimmt sie etwas mehr fürs Essen, als ich ausgeben kann, doch macht sie bei mir eine Ausnahme, so dass ich hier auch nicht teurer esse als im Restaurant - dafür aber sehr viel besser. Morgens und abends mache ich mir weiterhin mein Essen selbst, doch hat sie mich zum Beispiel gestern abend zum Abendbrot eingeladen. Es ist wirklich eine ganz besonders nette Frau - verkehrt übrigens in den ersten Tel-Aviver Kreisen und rechnet Leute wie den Direktor der Anglo-Palestinebank oder den obersten Richter von Tel-Aviv oder sonstige prominente Kreise zu ihren besten Freunden. Sie ist geschieden - ihr Mann ist Lehrer an einem hiesigen Gymnasium.
Aus Kirjath Anavim bekomme ich zuweilen Besuch. Vorige Woche war Werner hier. Dann waren verschiedene Leute zur Makkabbiah hier, die ich getroffen haben und augenblicklich ist Fritz David hier, mit dem ich mich für morgen verabredet habe. Leider habe ich nur hier am Ort zu wenig Bekannte. - Vorige Woche war ich im Kino im „Hauptmann von Köpenick”, einem, wenn auch schon recht alten, so doch wirklich ausgezeichneten Filme, der mir sehr viel Freude gemacht hat. Vielleicht gehe ich morgen abend in „Mutterlied” mit Gigli.
Dass Ihr von der Haavarah noch nichts gehört habe, ist wirklich sehr dumm - ebenso dumm ist Euch deshalb wegen nun wieder unnötige Sorgen zu machen. Bis zum Verhungern ist es noch recht weit - aber trotzdem hoffe ich, dass die Sache bald klappen wird. Sollte ich anfangs nächster Woche noch nichts Positives von Euch darüber gehört haben, werde ich mich selber mal an die Haavarah wenden. Eigentlich müsste die Sache ja schon längst im Rollen sein.
Sonst nichts neues für heute. Das Geschäft geht wieder sehr schlecht, nachdem es kurze Zeit recht gut war. Hoffentlich wird es bald wieder gehn. - Von Euch erwarte ich bald Ausführlicheres über Vaters neue Vertretung.
Für heute Schluss. Mit vielen Grüssen und Küssen
Euer Ernst.