Ernst Loewy an seine Eltern, 30. April 1938
Tel-Aviv, den 30. April, Samstag.
Meine Lieben,
Euren lb. Brief vom 13. und Eure Karte vom 18. habe ich Euch ja schon bestätigt. Für die guten Geburtstagswünsche danke ich Euch noch besonders. Gemerkt habe ich von meinem Geburtstag herzlich wenig. Ich habe gearbeitet, und der Tag ist vergangen wie jeder andere. Von Lore erhielt ich einen Brief - sie schreibt mir, Ihr hättet Ihr ein Bild von mir geschenkt, wofür ich Euch auch danke. Auch von Edith erhielt ich dieser Tage einen Brief - sie lässt Euch grüssen. Sie hat jetzt eine Stelle im Haushalt - alles frei und dazu noch 40 M übrig, die sie ihren Eltern schicken kann. So weit wird man in Palästina schwerlich kommen. Ebenfalls grüssen soll ich Euch von Neumanns, bei denen ich gestern zum Abendbrot war und von einem Herrn Dr. Archenscholtz, den Du, lb. Pips, damals auch bei Neumanns kennengelernt hast und der aus Wittlich ist und von dem Ihr bei Gelegenheit einmal Eugen Frank grüssen sollt. - Wann Herr Neumann nach Europa fährt, ist doch noch nicht raus - ich werde Euch jedenfalls vorher schreiben. Da er bestimmt in Gelsenkirchen sein wird, werdet Ihr Euch dort treffen können - es ist nur noch nicht bestimmt wann. -
Froh bin ich jedenfalls, dass die Sache mit der Haavarah endlich ins Rollen kommt. Ich hatte auch inzwischen schon mal reklamiert und hatte man mir schonmal versprochen an die PALTREU zu schreiben zwecks Beschleunigung der Angelegenheit, was sich aber nun auf Grund Eurer Karte vom 19. erübrigt hat. Da es ungefähr Mitte Mai werden wird, bis ich das Geld nun wirklich erhalte, habe ich einen Vorschuss von 3 ₤P beantragt, der mir wahrscheinlich bewilligt wird. Morgen
werde ich Bestimmtes darüber hören. Jedenfalls habe ich mir auf der H.O.G. ein Gutachten besorgt auf welches hin die Sache wahrscheinlich genehmigt wird. Wenn nicht muss ich mir selber helfen, was ich noch länger als einen Monat könnte, aber, wenn es nicht unbedingt nötig ist, vermeiden will. - Nächste Woche fahre ich voraussichtlich nach Kfar Saba um dort Juda Neubauer einmal zu besuchen, der dort in einem Kibbuz ist - er hat mich vor kurzem einmal brieflich eingeladen. Sollte ich Zeit haben, so werde ich auch nach Rananah fahren und Speyers besuchen. Da aber am Schabbath wenig Gelegenheit zum Fahren ist, wird es wohl schwerlich gehen. - Meine Bücher habe ich natürlich alle mitgenommen - verschiedene davon will ich verkaufen, solche, die mich weniger interessieren - und kaufe mir dann im Geschäft solche dafür, an denen ich wirklich Interesse habe. Ich bekomme natürlich alle Bücher zum Einkaufspreis (30 % billiger als im Laden). Ein Buch habe ich mir auf diese Weise schon erstanden: Die Geschichte unserer Welt von Wells. Ich habe überhaupt eine Reihe recht schöner Bücher, die man mir so im Laufe der Zeit geschenkt hat: Von Edith den Zauberberg, von Fritz David einen kompletten Nietzsche, Novellen von Thomas Mann und die „Betrachtungen eines Unpolitischen”. Die „Buddenbrooks” hatte ich mir einmal selber billig erstanden. Und jetzt werde ich mir so der Reihe nach noch Bücher anschaffen, die mich interessieren. Wenn mal wieder ein Krefelder herkommt, schreibt mir frühzeitig, damit er mir wieder was mitbringen kann. Lieber Pips, bemühe Dich bitte mal mir antiquarisch ein Buch über den Buchhandel zu besorgen - vielleicht hast Du mal Gelegenheit dazu - eilen tut es ja nicht. Es soll vor allen Dingen ein gutes Buch geben von
Säuberlich. Da Du selber einmal Buchhändler warst, weisst Du auch vielleicht Bescheid. Anstatt mir zuweilen Schokolade zu schicken, könnt Ihr mir auch mal ein Buch durch die Post senden, was garnicht teuer ist, und das Euch, da Ihr ja genug Bücher habt, auch nur das Porto kostet. - Frau Lilienfeld war noch nicht bei mir - da ich aber erwarte, dass sie bald fährt, und sie mir versprochen hat, mir bestimmt noch vorher zu besuchen, erwarte ich, dass sie dieser Tage kommt. - Pinchas war auch einmal bei mir - er ist nicht mehr in Kirjath Anavim, sondern in Jerusalem und bekommt dort wahrscheinlich durch die Protektion von Miss Szold eine Beamtenstelle an der Regierung. - Chawah denkt im Augenblick garnicht an ihre Zukunft, sondern nur an Dan, bei dem sie den ganzen Tag ist. Er ist vorige Woche operiert worden und weiss ich noch nicht, was nun daraus geworden ist. Was ich so im Allgemeinen höre, ist jedenfalls nichts gutes. - Den Brief habe ich Herrn Kaufmann gegeben, da Herr Stein schon in Amerika ist.
Neues habe ich für heute nicht mehr. Das Geschäft geht ganz gut und ich merke, dass auch ich vorwärts komme.
Viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.
Anbei eine Kinokarte;
die Rückseite ist mit zwei Marken beklebt, eine Steuermarke von Tel-Aviv (8 Mil) und einer Steuermarke der Regierung (5 Mils). Letztere ist eine gewöhnliche Nachportomarke und hat auch Briefmarkenwert.