Ernst Loewy an seine Eltern, 21. Mai 1938

Die Leute bei denen ich wohne sind [..] aus Przemysl.

Tel-Aviv, den 21.5.38., Samstag.

Meine Lieben, diese Woche war ich ja nun wirklich mit Post gesegnet: ich erhielt Eure Briefe vom 6.8. und 10. Mai, sowie Pipsleins Brief aus Gronau, beklagen kann ich mich also wirklich nicht, nur werde ich dann wohl nächste Woche nichts erhalten, da Ihr früher geschrieben habt. Ich habe jetzt noch mal ausführlich mit Richard über den vorigen Brief gesprochen und habe ich meiner letzten Antwort doch nicht mehr viel hinzuzusetzen, da auch Richard, nach Rücksprache mit vielen Leuten, keinen besseren Rat zu geben weiss. Das einzige Positive, was Vater tun kann, ist, Sprachen zu lernen. Und für Mümlein halte ich noch Kochen für das Gegebene. Levys rieten mir Diätküche zu lernen, doch halte ich das weniger für das Gegebene, da man nun wirklich dabei etwas lernen zu können und vor allen Dingen hier konkurrieren zu können, sicherlich eine jahrelange Praxis im Krankenhaus haben muss und die Möglichkeiten so etwas zu erlernen nicht gross sein werden, wozu noch kommt, dass Du, lb. Mutter, Mitte der Vierzig bist und man junge Mädels wahrscheinlich bevorzugen wird. Ich glaube es bleibt nur Kochen übrig. Näherinnen gibt es genug und ausserdem kauft man hier fast nur fertige Sachen. Was das Kochen anbelangt, so müsstest Du irgendwo einen palästinensischen Kochkurs mitmachen. Ich erinnere mich noch, dass es in allen grösseren Städten solche Kurse gab. Vielleicht hast Du eine Möglichkeit dazu. Sonst müsstest Du es für Dich lernen. Du musst wissen, dass man hier in Palästina ganz anders kocht, weniger andere Speisen als auf andern Geräten, und, dass das für manche Hausfrauen eine grosse Umstellung ist. Du sollst also nicht

dass das so sehr einfach ist, und dass man das ohne es zu lernen gleich kann. Hier gibt es weder Herde noch Gasöfen. Elektrische Herde nur bei ganz reichen Leuten - die Mehrzahl kocht hier auf dem „Primus”, wie man die Petroleumkocher nennt. Von diesen Kochern hat man meistens zwei, einen zum Kochen und einen zum Warmhalten, und diese zwei Brennstellen genügen meist den grössten Familien. Du siehst also, dass das so einfach nicht ist. Jetzt bist Du gewohnt für vier Leute auf vier Brennstellen und einem Herd zu kochen und hier müsstest Du, falls Du Dir einen Mittagstisch einrichten würdest für 8 bis 10 Menschen auf zwei oder höchstens drei Brennstellen kochen. Und das ist nicht die einzige Umstellung. Dazu kommt noch, dass die Küchen hier wahnsinnig klein sind (meistens nicht viel grösser als unser Klosett), dass man aber andererseits viel weniger Federlesen mit dem Essen macht, als in Deutschland, und dass man in schätzungsweise drei Stunden recht bequem für ein Dutzend Leute alles herrichten kann. Lieber Pips, Du hast ja das auch alles gesehen und kannst Mutter davon erzählen. Ich werde Euch demnächst einmal ein palästinensisches Kochbuch schicken. Und jetzt Schluss mit dem Kochen. Schreibt mir mal Eure Meinung darüber.

Gestern abend war ich bei Levys, von denen ich Euch grüssen soll und heute morgen bei Heimanns auf der Bilustrasse, von denen ich Euch gleichfalls grüssen soll. Vor vier Monaten ist dort ein Baby angekommen und Frau Heimann hat sich noch nicht erholt davon und kränkelt seit der Zeit.

Dass die Genehmigung von der Devisenstelle endlich gekommen

ist, freut mich. So kann ich also Ende des Monats mein Geld endlich erwarten.

Ich habe Euch in meinem letzten Briefe völlig zu schreiben vergessen, dass ich bei Juda Neubauer war, der jetzt im Kibbuz Hamanoft nähe bei Kfar Saba ist, und dass ich dort einen netten Tag verlebt habe. Ich habe bei der Gelegenheit wieder eine Menge Bekannte besucht. Herbert Walter, der, wie Du, lb. Pips, ja weisst, mit Mutter und Tante siedelt, hat sein Häuschen nur drei Minuten von Hamanoft. Vorige Woche ist die Siedlung bezogen worden und heisst [..] Warburg. Einige Tage nur bevor sie dort eingezogen sind, war ich dort und habe mir alles angesehen. Dann war ich Rananah und habe Piel und Lore besucht, die, wie ich Euch schon schrieb, dort in der Kwuzah der Makkabbi sind. Bei Speyers war ich nicht, da ich nicht wusste, wo sie wohnen und ich auch nur wenig Zeit hatte. Vielleicht fahre ich zu Schawuoth wieder hinaus. Wenn ich meine Kirjat Anavimer Freunde besuchen will, brauche ich nur noch noch Rananah und Kfar Saba zu fahren. Zu Schawuoth werden wir vielleicht alle von dort aus nach Herzliah an den Strand fahren. Dort in der Gegend ist auch Kfar Schmarjahn, wo Herzens hin wollen. Es tut mir sehr leid, sie nicht gesehen zu haben.

Über Inge Trants plötzliche Verlobung war ich ziemlich sprachlos. Jedenfalls wünsche ich ihr viel Glück. Doch glaube ich nicht, dass die Sache lange anhalten wird.

Ich will nun Schluss machen. Ich habe Euren ganzen Stoss von Briefen vor mir. Sie wortwörtlich zu beantworten habe ich jedoch keine Geduld mehr. Lasst es so genug sein und seid vielmals geküsst von
Eurem Ernst.