Ernst Loewy an seine Eltern, 11. Juni 1938
Tel-Aviv, den 11. Juni.
Meine Lieben,
zuerst noch einmal in Gedanken die herzlichsten Glückwünsche zu Omas Geburtstag und alles, alles Gute. In Gedanken bin ich bei Euch und feiere den Tag mit.
Anfang der Woche habe ich nun endlich mein Geld ausgezahlt bekommen - der Betrag lautete etwas über 9 £P, von denen aber gleich 3 Pfund an die Kupath Milweh gingen als Rückerstattung für den erhaltenen Vorschuss. Nochmals vielen herzlichen Dank dafür - hoffentlich klappt es jetzt auch mit den folgenden Sendungen, so dass ich nicht wieder 3 Monate zu warten brauche. - Zu Schawuoth war ich in Kirjath Anavim und habe dort zwei nette Tage verlebt. Der Entschluss kam ganz plötzlich, am Schabbath morgen habe ich noch garnicht daran gedacht und mittags bekam ich plötzlich Lust mal ein bischen ins Grüne zu fahren und bin losgesegelt. Dort sieht jetzt alles anders aus als zu meiner Zeit. In unserem Haus ist keiner mehr von uns. Bis in einigen Monaten eine neue Jugendalijahgruppe kommen wird, wird dort ein „Kurbetrieb“ eingerichtet - für Städter, die sich mal ein bischen erholen wollen. In meinem früheren Zimmer wird ein besonderer Chadar Ochel für die Feriengäste sein. Der Garin ist hinübergezogen zum Bamaaleh und wohnt dort in Zelten. In einigen Wochen beginnt man in Kirjath Anavim Beth das erste Haus zu bauen - und dann wird die Hitjaschwuth bald folgen. Die Leute sind sehr zufrieden und
fühlen sich recht wohl. Sie müssen allerdings wahnsinnig schwer arbeiten. Augenblicklich baut man einen Weg nach oben, auf dem auch Autos fahren können, keine leichte Arbeit, von der Du, lb. Pips, Dir sicherlich noch einen Begriff machen kannst. Mit dem Chadar Ochel hat man in Kirjath Anavim immer noch nicht angefangen.
Die Leute von uns, die nun noch übrig geblieben sind wohnen jetzt in dem grossen Zvif der Haganah, der ganz am Berge steht wie Du, lb. Pips, Dich vielleicht noch erinnern wirst. Sie wohnen dort, ich glaube zu sieben in einem grossen Raum, haben sich aber sehr nett eingerichtet. Es sind noch folgende Leute da: Werner, der noch keine Stellung gefunden hat, - Benni, der als einziger in Kirjath Anavim bleiben wird um seine Eltern dort unterbringen zu können, die dieses Jahr wahrscheinlich noch auf Kapitalistenzertifikat herkommen, - Chanan, der selber nicht weiss was er will, - Micha, der auch noch in Verhandlungen wegen einer Schlosserstelle steht, - Moischele, der über kurz oder lang auch nach Amerika gehen wird. Küken ist inzwischen nach Nahalah gegangen - zu einem Bauern auf Hachscharah und Heiner ist auch schon auf dem Wege nach Deutschland, von wo er gleich weiter nach Amerika fahren wird. Ascher ist, wie Ihr wisst in Jerusalem - es geht ihm dort sehr gut. Von Fritz Schloss, der in Chederah ist, hat noch
keiner nur ein Wort gehört, Herbert Walter hat mit Bruder, Mutter und Tante gesiedelt, Piel und Lore sind Rananah, Sonja immer noch in Jerusalem, Pinchas ebenfalls - er soll dort eine sehr gute Stellung haben, - und das ist alles. Zusammenfassend gesagt ist das Ergebnis vom Standpunkt der Jugendalijah sehr schlecht, da zu wenige auf dem Lande bleiben, und einige sogar Palästina verlassen und damit andern die Zertifikate weggeschnappt haben.
Herr Neumann ist übrigens inzwischen auch schon abgedampft - er wird Euch von Deutschland wahrscheinlich Bescheid geben.
Wen ich von Kirjath Anavim übrigens vergessen habe, ist Chawah; sie wohnt noch dort, ist aber am Tage stets bei Dan, der sowieso eine Pflegerin nötig hat. Über ihre Zukunft scheint sie sich übrigens noch allzu wenig Gedanken zu machen. Dan selbst geht es etwas besser.
Euren Brief vom 30. habe ich erhalten und mich sehr damit gefreut. Zu beantworten gibt es wohl nichts. Ein Kochbuch schicke ich Euch bald - im Augenblick ist keins auf Lager, doch müssen wir es in den nächsten Tagen erhalten, und werde ich Euch sofort eins schicken. Damit für heute genug - mir geht es gut und hoffe ich von Euch das Gleiche.
Mit vielen Grüssen und Küssen
Euer Ernst.
Von Edith, Lore und Ernst Lamm erhielte ebenfalls Post.