Ernst Loewy an seine Eltern, 25. Juni 1938

Tel-Aviv, Samstag, den 25.6.38.

Meine Lieben,

für Euren lb. Brief vom 12. 6. besten Dank. Mir geht es wie stets recht gut und bin ich froh, von Euch dasselbe zu hören. Gutes hört man augenblicklich wenig, so dass man froh sein kann zu hören, dass man sich gesundheitlich wohl befindet und noch sein Auskommen hat. Auch hier geht ja wieder alles drunter und drüber. Von den Morden an der Grenze Tel-Aviv - Jaffa werdet Ihr sicherlich auch schon gehört haben. Die Unruhen hören nicht auf - überall wird gemordet und gebrandschatzt. In Kirjath Anavim jedoch scheint es verhältnismässig ruhig zu sein. Man erwartet hier mit Spannung eine Klärung - doch wie und wann und ob ... darüber ist sich keiner im Klaren. Die Wirtschaft leidet natürlich fürchterlich darunter - aber was noch schlimmer ist: Tausende von Menschen, die aus Europa heraus müssen und kein Dach überm Kopf mehr haben, finden nicht einmal hier eine Zuflucht, solange England noch zaudert die Alijah zu erhöhen. Und wann wird das sein? All diese Dinge liegen so im Unklaren, dass man sich über die Zukunft gar keine vernünftigen Gedanken machen kann.

Was die Haavarah anbelangt, so wird die 50 mils Marke hier auf den Vertrag aufgeklebt und zur Unterschrift über die Paltreu an den Betreffenden in Deutschland gesandt. Wahrscheinlich hatte man bei unserm Vertrage vergessen die Marke aufzukleben. Dass Ihr sie Euch besorgen solltet, davon konnte niemals die Rede sein. Jedenfalls ist das ja auch gleich, da die Angelegenheit in Ordnung ist. Einen neuen Antrag werde ich dieser Tage schon stellen.

Eine Gehaltserhöhung habe ich leider in der allernächsten

Zeit kaum zu erwarten, da das Geschäft in der jetzigen Jahreszeit am allerschlechtesten geht. Kurz vor dem Herbst wird es dann aller Voraussicht nach wesentlich besser werden und habe auch ich dann Aussichten allmählich mehr zu bekommen. In den Sommermonaten liest man der Hitze wegen sowieso nicht soviel - und dazu fahren die zahlkräftigen Leute um diese Zeit in Ferien.

Was das Kochbuch anbelangt, so habe ich es immer noch nicht bekommen können, doch muss es nun wirklich in den nächsten Tagen geliefert werden und werde ich es sofort abschicken. Für die Sachen, die Ihr Hübschmanns mitgegeben habt besten Dank. Du fragst, lb. Pips, ob Du mir noch mehr Bücher von Onkel Willi schicken sollst, die besonders wertvoll sind und ob ich Interesse daran habe. Interesse habe ich schon genug daran, aber nicht allzuviel Platz. Ich möchte mir vorläufig nur solche Bücher anschaffen, die mir ganz besonders wichtig sind, wobei es mir auf Wert und Ausstattung recht wenig ankommt. Wenn ich einmal einen Bücherschrank habe und ein eigenes Zimmer, dann kann ich auch an solche Sachen denken. Vorläufig muss ich mit jedem Eckchen sparen, und will auch nicht allzu viel Ballast haben. Einige Dutzend Bücher, die mir wichtig sind, will ich immer bei mir haben - an andere kanne ich vorläufig nicht denken, auch wenn ich sie noch so gerne hätte. - Das Buch über den Buchhandel um das ich Dich gebeten hatte war kein bestimmtes, ich weiss nur gerade, dass es von Säuberlich ein sehr gutes geben soll. Was das Schicken von Büchern anbelangt, so ist das nicht so sehr teuer. Wir bekommen die Sachen durch sogen. Kreuzband - alles in kleinen Paketchen, die als Drucksache

gehn. 30-40 Pfennig kostet das durchschnittlich. Da die Pakete ein gewisses Gewicht nicht übersteigen dürfen, werden uns die Bücher stets einzeln gesandt. Aus England geht das ebenso. So sehr viele Bücher beziehen wir übrigens garnicht aus Deutschland. Am meisten beziehen wir von holländischen, schweizer oder tschechischen Verlagen, die alle hier am Platze ein eigenes Kommissionslager haben, so dass wir mit den Firmen selber garnicht arbeiten. Aus Deutschland beziehen wir nur einige wissenschaftliche und technische Sachen. Die grösseren Verlage wie Ullstein, Zsolnay etc. sind ebenfalls hier vertreten. Die englischen Sachen dagegen beziehen wir fast durchweg aus England. Die Sachen, die wir aus Deutschland beziehen, beziehen wir ebenfalls nicht von den Verlagen selbst, sondern über Koehler und Volckmar, das grosse Versandlager. Nur mit Springer und Hoffmann arbeiten wir selbst, weil wir von dort recht viel benötigen. Das soll für heute genügen. Viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.