Ernst Loewy an seine Eltern, 9. Juli 1938
I
Tel-Aviv, den 9.7.38., Samstag
Meine Lieben,
Euren letzten Brief vom 26. 6. sowie Eure Karte habe ich erhalten. Leider hat mir Euer Brief wieder Anlass zu vielen Sorgen gegeben. Ich habe sofort mit Richard darüber gesprochen - aber er weiss ebensowenig wie ich einen Rat. Er hat sich noch einmal mit allen massgebenden Leuten unterhalten - und auch die können ihm nicht helfen. Anfang nächster Woche wird er Euch selbst noch einmal darüber schreiben. Jedenfalls ist er der Meinung, dass Amerika noch viel eher in Frage käme als Palästina. Er selbst hat dort riesige Schwierigkeiten gehabt um sein Zertifikat zu bekommen, eine feste Arbeit hat er immer noch nicht - dazu ist er der Mann, der zu allen öffentlichen Institutionen Zugang hat, der alle führenden Leute persönlich kennt und eine Protektion hat, wie kaum ein anderer, und trotzdem kommt er nur ganz mühsam vorwärts. Dazu ist er ein Mann, der etwas kann und den man hier wirklich gebrauchen könnte. Und trotzdem ist er wahrscheinlich noch nie so schlecht weitergekommen wie hier. - Es tut mir leid, Euch immer so betrübende Antworten geben zu müssen - aber ich weiss mir keinen Rat. Illegal hierher zu kommen ist doch schon deshalb ausgeschlossen, weil für jeden 800 M nötig sind zur Hinterlegung, die Ihr bei einer illegalen Einwanderung niemals mehr wiedersehen würdet. Und wer gibt Euch 1600 M? Und wer soll Euch hier ernähren - wenigstens die erste Zeit? Ich kann Euch nur mit negativen Dingen ant-
II
worten, wenn es mir auch noch so schwer fällt. Versucht auf alle Fälle mit den Auswanderungskomitees in Berührung zu kommen, vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, nach Amerika zu kommen. - Ausführlicher darüber wird Euch Richard dieser Tage noch schreiben.
Und seid mir nicht böse, wenn ich Euch nur so hässliche Dinge schreibe - ich wollte, ich hätte das nicht nötig.
Weiteres von mir in meinem Brief an Opa, der diese Zeilen ja nicht lesen soll. Für Euch einen besonderen Kuss und den Wunsch den Mut nicht zu verlieren
Euer Ernst. [..]
Das Kochbuch habt Ihr hoffentlich inzwischen erhalten.