Ernst Loewy an seine Eltern, 20. August 1938
Tel-Aviv, Samstag, den 20.8.38.
Meine Lieben,
diese Woche war ich ja nun wieder mit Post von Euch gesegnet, ich erhielt Euren Brief vom 5. Aug., Mümleins Karte vom 8. und Pipsleins Brief aus Gütersloh vom 10. Nur der mit Spannung erwartete Brief aus Prag steht noch aus. Ich hätte Dir lb. Mutter nach Prag geschrieben, doch wusste ich ja nicht wann Du dort warst. Da Du sicherlich nicht länger als eine Woche dortgeblieben bist, würde Dich auch jetzt meine Post nicht mehr erreichen. Ich nehme an, dass Du inzwischen wieder daheim bist und hoffe, dass aus der Unterredung mit Richard etwas herausgekommen ist. Wie ich aus Euren Briefen entnehme, seid Ihr der Ansicht, dass ich mir von den dortigen Verhältnissen keine richtige Vorstellung mache. Ihr habt damit sicherlich unrecht. Nur kenne ich auch die hiesigen Verhältnisse - und die sind nicht danach angetan die geringsten Hoffnungen zu erwecken. Doch bin ich inzwischen auch der Meinung, dass es besser ist hier zu sein als dort. Denn auf die Unterstützung der Gemeinde dürftet Ihr doch nicht mehr rechnen können, da Ihr nicht die einzigen seid, die plötzlich ohne Arbeit dasitzen. Was Ihr allerdings hier machen könnt, ist mir ebenso schleierhaft. Aber es muss sich eben ein Weg finden, denn dort zu bleiben, erscheint mir allmählich auch unmöglich. Wie ich Euch schrieb, wollte Edith in einem Jahre schon Ihre Eltern anfordern; leider hat sie das zu einem Teile schon nicht mehr nötig, denn ihr Vater ist inzwischen auf einer
Reise gestorben. Wie Ihr wissen werdet ist auch Chawas Vater zur Erholung fortgefahren. Mit ihrer Mutter habt Ihr ja in Gerresheim zusammen gearbeitet. Jetzt, wo Dan hier ist, kommt Chawa häufig hierher und habe ich stets die Ehre sie in meiner 3-Zimmerwohnung beherbergen zu dürfen. Wie ich Euch schrieb arbeitet sie in Jerusalem in einem Kinderheim.
Ihr beklagt Euch, dass ich soviele Fragen an Euch unberücksichtigt lasse. Da Mutter jetzt Richard gesprochen hat, hoffe ich, dass sie alles, was sie interessiert, von ihm gehört hat, so dass es sich jetzt erübrigt auf alle die Kleinigkeiten einzugehen.
Frl. Winter habe ich von Euch und ihren Verwandten gegrüsst - sie hat sich sehr gefreut udn mich zum Abendessen eingeladen. Einladen lasse ich mich überhaupt gerne, da ich dadurch Geld spare. Meine Sachen habe ich noch nicht verkauft, dass es hauptsächlich Winterzeug ist (die hohen Stiefel, Manchesteranzug etc.) Ich werde bis zum Winter damit warten, da ich jetzt zu wenig dafür bekomme. Nur die Reithose hatte ich vor einem halben Jahr Werner gebeten in Jerusalem zu verkaufen. Er gab sie darauf Pinchas, der in solchen Dingen mehr Routine hat - zusammen mit andern Dingen von sich selbst. Nach Abzug von 50 % Provision erhielt ich noch 5 Piaster!!! Das war unser Führer. Da er bei noch verschiedenen Leuten ähnliche Sachen gemacht hat, gab es einen grossen Skandal in der
Kwuzah (ich war damals schon fort). Aber das Geld behielt Pinchas doch. Und dieser Kerl hat bei der Sochnuth und Miss Szold die erste Protektion. - Hans Beith habe ich neulich hier getroffen und ihm persönlich gratuliert.
Was die Haavarah anbetrifft, so schickt mir weiterhin nur 60 RM und keine 75. Für die 15 RM bekomme ich nur 80 Piaster, und es geht auch ohnedem. Was für die Zukunft sein wird, das weiss ich auch nicht. Von der Jugendalijah kann ich keinesfalls noch etwas bekommen. Ich hoffe, Ende des Jahres 2 Pfund zu verdienen; eventuell muß Richard einspringen. Ich kann vorläufig in dieser Hinsicht nichts unternehmen - will auch erst abwarten bis Richard hier ist und ich von ihm alles ausführlich hören kann. -
Heimanns, Neumanns, Levys, Löwenthals u.s.w. sehe ich häufig. Lufschütz habe ich nicht mehr gesehn. Ich bin viel mit Dan zusammen, zuweilen bei Hakes. Wöchentlich einmal sind wir alle bei Frau Strauss, wo es stets sehr nett ist. Diese Woche haben wir zusammen die Zeitung „HAAREZ” besichtigt - ein grosser moderner Betrieb.
Sonst nichts Neues. Ich erwarte sehnsüchtig Post aus Prag und bald schon Richard persönlich. Das Geschäft geht recht gut, Herr Stein kommt Ende September wieder.
Für heute viele Grüsse und Küsse
Euer Ernst.
Hirschbergs sind mit Berry nicht verwandt, kennen aber einzelne Glieder dieser Familie.