Ernst Loewy an seine Eltern, 29. August 1938
Tel-Aviv, den 29.8.38.
Meine Lieben,
heute erhielt ich endlich den lang erwarteten Brief aus Krefeld, datiert vom 19.8., der mir viel Freude gemacht hat. Jetzt weiss ich wenigstens, dass alles geklappt hat, und, dass Du liebe Mutter wieder gut in Krefeld gelandet bist. Von Richard habe ich noch keine Nachricht, doch denke ich, dass er heute oder morgen wieder hier sein wird. Ueber Eure Zukunftsplaene erst dann Genaueres, wenn ich mit ihm ueber alles gesprochen habe. Nur eines ist mir inzwischen eingefallen, naemlich, dass Ihr ja bald keine Paesse mehr haben werdet, - und wie koennt Ihr dann das englische Visum bekommen?
Ueber eine Arbeit fuer Euch habe ich mich vor ein paar Tagen mal mit Löwensteins, den Kindern der alten Kaufmanns, unterhalten. Die halten auch eine kleine Pension für garnicht so schlecht - sie sagen, dass da auch gleich Arbeit fuer Vater da waere, denn eine Frau allein koenne nur schwerlich alles schaffen - sie wuerden einige Faelle kennen, wo der Mann richtig mitarbeitet, so zum Beispiel des Mittags serviert etc. Ich halte das auch fuer garnicht so schlecht, ueberhaupt fuer das einzig Moegliche. Ausserdem hat Vater die gute Gabe sich besonders schnell beliebt zu machen, was natuerlich auch nur von Vorteil sein kann. Wie gesagt Weiteres hierueber, wenn ich mit Richard gesprochen habe. Ganz allgemein gesagt bin ich sehr froh die Hoffnung zu haben Euch bald wiederzusehen, nur sind leider die Umstaende und Begleiterscheinungen so, dass eine allzu grosse Freude nicht aufkommen kann. Und die Besorgnisse ueberwiegen noch alles andere.
Von hier wie immer nichts Neues - ausser den sehr unerfreulichen Geschehnissen, von denen Ihr genug in der Zeitung lesen werdet. Bis es hier einmal ruhig sein wird, wird noch recht lange dauern.
Nach Kirjath Anavim kommt heute eine neue Jugendalijahgruppe, aus Oesterreich diesmal. Bei Gelegenheit werde ich mal wieder hinfahren.
Wie Ihr seht kann ich schon ganz nett tippen. Die Maschine gehoert dem Geschaeft, ich habe sie mir gepumpt um richtig tippen zu lernen. Leider taugt sie nur nicht viel. Falls Ihr Eure Maschine nicht schon verkauft habt bringt sie moeglichst mit. Dieser Tage mehr.
31.8.38.
Inzwischen habe ich gehoert, dass Richard erst voraussichtlich naechste Woche hierherkommt - und will ich den Brief nun schon so zu Ende schreiben. Ueber Eure Zukunftsplaene dann also das naechste Mal. Von hier nun noch einiges: Frl. Winter, die hier im Hause wohnt, hat augenblicklich Besuch von einer Nichte, die auch Hanna Winter heisst, die in Ejn Chared wohnt. Diese Hanna Winter wohnte vor wenigen Jahren in Krefeld, wo sie zusammen mit Ilse W. bei Frl. Katz in der Schneiderlehre war. Komischer Zufall, dass wir uns hier so zusammen in der Wohnung treffen. Ich kannte sie allerdings nicht, doch erinnere ich mich, dass Ilse seiner Zeit von ihr erzaehlte.
Was Ilse anbetrifft, so habe ich ueber die Sache weiter nichts gehoert, bitte auch Frau Wertheim gegenueber zu schweigen. Gerda ist schon aus der Gruppe ausgetreten, da ihre Eltern inzwischen gekommen sind. Sie arbeitet jetzt mit Chawa zusammen in Talpioth im Kinderheim.
Was die hohen Gummischuhe anbetrifft, so sind die schon laengst kaputt - laenger als ein Jahr haelt so etwas nicht, besonders nicht auf einem Steinboden wie Kirjath Anavim. Jedoch halte ich es nicht fuer notwendig, dass Ihr Euch neue kauft - in der Stadt sind sie nicht noetig. Es genuegen hier Ueberziehhalbschuhe, die man ueber die anderen Schuhe anzieht. Fuer Mutter waeren meines Erachtens solche Schuhe gut, wie sie sich Ilse mitgenommen hat - hohe Gummischuhe mit Reissverschluss. Was die Ausstattung anbelangt, so werde ich Euch noch einmal genau schreiben, was ich fuer noetig halte.
Neuigkeiten weiss ich fuer heute keine mehr, ich warte mit Sehnsucht auf Richard. Was das Umziehen anbetrifft, so hat das noch Zeit, da ich bis Mitte naechsten Monats zum mindesten hier bleiben kann. In Kuerze zieht auch Frau Hake um - da lohnt es sich nicht vorher noch hinzuziehen. Nachdem sie umgezogen ist hat das eventuell immer noch Zeit.
Damit also genug fuer heute. Viele Gruesse und Kuesse
Euer Ernst.