Ernst Loewy an seine Eltern, 17. September 1938

Tel-Aviv, den 17.9.38.

Meine Lieben,

vielen Dank fuer Euren Brief vom 3. 9., den ich Anfang der Woche erhielt. Hoffentlich klappt jetzt nur alles Euren Wuenschen gemaess, so dass wir uns bald wiedersehen. Edith schrieb mir diese Woche, dass ein Affidavit nach Amerika garnicht so schwer zu bekommen ist. Sie wuerde sich sogar fuer mich bemuehen, ich habe ihr gegenueber uebrigens niemals derartige Wuensche geaeussert, wuerde natuerlich bei einer eventuellen Moeglichkeit (an die ich garnicht ernsthaft glauben kann) nicht zaudern sie zu ergreifen. Denn die Zukunftsaussichten hier sind keinesfalls rosig. Nicht fuer einen Menschen in meinem Alter, geschweige denn fuer Euch. In diesem Zusammenhang schrieb sie mir, sie glaube Verwandte von mir gefunden zu haben: Kurt Loewy, Enkel eines Karl Loewy aus Fuerth (taetig in der Glasindustrie) der aus Boehmen stammen soll. Karl Loewy hat einen Bruder Alois Loewy in Wien. Betreffender Kurt Loewy wohnt mit seiner Mutter seit drei Jahren in Chicago. Die Mutter haette sie neulich kennen gelernt, den Sohn Kurt wuerde sie in ein paar Tagen kennen lernen und mir dann noch genauere Daten schreiben. Mir scheint es kaum wahrscheinlich, dass diese Leute mit uns verwandt sind - hoechstens ganz weitläufig, in meinem Stammbaum wenigstens finde ich keinerlei Anhaltspunkte. Edith selbst geht Mitte dieses Monats von Chicago nach New York und bittet mich um Adressen von Bekannten oder Verwandten von mir um zu sehen, ob sich etwas wegen eines Affidavits erreichen laesst. Ich glaube natuerlich nicht an irgendwelche Moeglichkeiten, besonders wo wir keine Leute dort haben, die uns irgendwie nahestehen. Trotzdem kann ein Versuch nie schaden, und bitte ich Euch mir Adressen von in New York lebenden Leuten zu schicken. Die Verwandten, die wir drueben haben, leben meines Wissens nicht in New York. Edith geht es sehr gut und hofft sie bald ihre Mutter anfordern

zu koennen.

Von mir gibt es wie stets wenig Neues - das Leben verlaeuft hier in ruhigeren Bahnen als in Kirjath Anavim. Dort ist eine neue Jugendalijah inzwischen eingetroffen. Von Werner hoere ich, dass er sich inzwischen entschlossen hat ins Bamaaleh einzutreten, Benni wird wahrscheinlich dasselbe tun. Hier kann man wirklich sagen: das Unbeschreibliche, hier ist es getan (allerdings fehlt meines Wissens das Ewig-Weibliche, das ihn hinanzieht - wenigstens in Kirjath Anavim).

Sonst weiss ich fuer heute nichts mehr. Herr Stein wird wahrscheinlich im Laufe dieses Monats zurückkommen. Das Geschaeft geht komischerweise ganz gut, obwohl sich fuenf Haeuser neben uns eine neue Konkurrenz eingenistet hat.

Damit also genug. Gebt Euch keinen unbegruendeten Hoffnungen hin und seht zu, dass Ihr bald hier seid.

Viele Gruesse und Kuesse
Euer Ernst.

Was ist eigentlich mit Lore - sie schreibt mir garnicht mehr.