Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 18. März 1936
Donnerstag, den 18.3.36.
Mein lb. Ernst!
Gestern Abend hatte ich eine grosse Freude. Frau Mendel aus Essen, Manfreds Mutter, besuchte mich, um sich vor ihrer Abreise zu verabschieden. Ich fand das riesig lieb von ihr & dann konnte sie uns auch berichten, dass Manfred die Krisis überstanden hätte & sich nun langsam erholen würde. G. s. D. Frau Mendel fährt nun in cir. 14 Tagen ab, mit ihrem Töchterchen, die auch mit hier war & in die ich mich direkt verliebt habe. Ein entzückendes 14jähr. Mädel, Du wirst ja beide bald drüben begrüssen können. Sobald Mendels eine feste Wohnung haben & die suchen sie in Jerusalem, bist Du eingeladen hinzukommen, sooft Du nur willst. Also wieder ein Haus mehr, in dem Du willkommen bist. Ich habe Frau Mendel die Kletterweste mitgegeben, somit Du sie gerade vor Deinem Geburtstag bekommen. Frau M. wird Dir auch gefallen, sie ist ein ganz anderer Schlag als ihr Mann, lieb & nett. Auf jeden Fall fand ich sie reizend, dass sie noch vorher zu mir kam.
19.3.36.
Mein lb. Pipslein!
Freitag früh bis 9 Uhr ist für mich immer eine sehr anstrengende Sache. Dann gibt's Rätselraten, kommt Post, kommt keine, aber sie ist heute glücklicherweise wieder gekommen. Selbst unser alter Briefträger freut sich immer. Tausend Dank mein Lieber, ich bin glücklich, dass Du gesund & guter Dinge bist. Von uns auch alles Gute!
Dass Ihr schwer bei der Arbeit in Schweiss geratet, ist natürlich für unsern Begriff höchst komisch, denn hier brennen die Öfen noch lustig & stecken wir noch feste in unsern Wintermänteln. Gestern hat Herr Windmann angefangen, unsern Garten zu bearbeiten, wo hie & da was Grünes herauskommt. So sieht es bei uns aus. Du schreibst, Du hättest zum ersten Mal in Deinem Leben 8 Stunden gearbeitet. Dann muss ich feststellen, dass Du es im Verhältnis zu Deinen Freunden hier noch recht gut gehabt hast, worüber ich mich natürlich herzlich freue. Ernst Hirsch muss schon 1 Jahr lang um 7 Uhr früh in Düsseldorf sein & feste in der Fabrik bis spät arbeiten, dann erst wieder zurück nach hier & Jumbo ebenfalls. Die werden tüchtig herangeholt & haben kaum Zeit für sich selbst. Endlich scheint Fritz Rosberg nun auch unterzukommen. Nachdem es hier zum so & so often Male nichts geworden ist, haben sie sich in Düsseldorf bemüht & kann er „wahrscheinlich” Montag eintreten. Auf einem Büro, wo nur ein jüd. Angestellter ist. Da versauert er erstrecht. Ich bin mal neugierig, ob es nun endlich klappt nachdem er 5/4 Jahre zu Hause gehockt hat. Über Manfred waren wir schon durch seine Mutter unterrichtet, wie ich Dir gestern schon schrieb. Sie ist aber noch nicht unterwegs, sondern fährt erst in cir. 14 Tagen. Ich habe mich so riesig mit ihrem Besuch gefreut, dass ich Vater nachher den Vorschlag machen möchte, sie nächste Woche noch einmal in
II
Essen zu besuchen. Ostern hat Vater ja doch ein paar freie Tage & glaube ich auch, dass er mit meinem Plan einverstanden ist. - Vielleicht bist Du wie morgen bei Fritz in Jerusalem. Hoffentlich machen Dir die neuen Unruhen keinen Strich durch die Rechnung. Die Berichte sehen wieder sehr böse aus. Bedanke Dich mal in unserm Namen bei Fritz für all seine Liebe zu Dir. Von Eurem neuen Führer schreibst Du verhältnismässig sehr wenig. Versteht Ihr Euch nicht so gut? Wenn Du diesen Brief erhältst, stecken wir mitten im Pessach. Die Mazzen haben wir schon, auch Pökelfleisch, fehlt nur noch der Merrettich. Schade, dass wir Dir nicht son Muster ohne Wert Päckchen davon schicken können, dann schmeckte es uns noch einmal so gut. Übrigens gehen morgen auch die Schnellhefter an Dich ab, vorige Woche konnte ich nirgendwo die richtige Grösse bekommen. Am 1 ds.[?] sollte auch Helmut Frank wieder zur Untersuchung nach Stuttg. Seit 4 Wochen ist er zur Erholung im Schwarzwald & bekommt einen Tag vor seiner Abreise dorthin wieder eine schwere Angina. Jetzt muss er sich dort erst wieder erholen & wie dann in 4 Wochen die Untersuchung ausfällt, weiss der lb. Himmel. Gerade als wenn der Junge nicht weg sollte & dabei möchte er so gerne. Ich glaube Dir nun die Neuigkeiten erzählt zu haben & wünsche Euch zu Pessach & Eurem 1 jähr. Fest viel, viel Freude.
Alles Gute & tausend Küsse Deiner
Mutter.
Lieber Ernst nimm auch von mir viele Grüße und sei geküßt von Deiner Großmutter.
Mein lieber Junge! Von mir diesmal nicht viel. Ich habe einen Herrn hier, der sich [..] ansieht & der Brief soll doch auch fort; die l. Mutti geht gleich zur Post. - Mit den Schnellheftern sende ich auch Dir noch ein paar Stahl[..] von Jerusalem w./ti/ Hoffentlich machen sie Dir Freude. - Mit den gewünschten Büchern aus Onkel Willis Bücherkiste ist es nichts, ich habe ja nur ein paar Sachen als Andenken von Onkel Willi von Tante Hilda verhalten & da ist wohl manches, was Dich interessiert, aber nicht die gewünschten Sachen. „Krieg & Frieden” von Tolstoi ist dabei, die kann ich Dir mitbringen; 3 schöne Halblederbände. Eine Kunstgeschichte ist ja ohnehin hier; auch Heinemann, „Deutsche Dichtung” (d. i. eine kleine deutsche Literaturgeschichte.) Auf alle Fälle erwarte ich Deinen Wunschzettel; es ist vielleicht auch manches, was Du nicht weißt, daß es da ist. Mir gehts sonst gut; geschäftlich auch. Ich fahre nochmal für 2-3 Tage nach Olpe-Laasphe; von Mittwoch an mache ich Osterferien.
Es geschehen Zeichen & Wunder. Heute ist Frühlingswetter & da ist Opa zum 1. Mal bis zu [..] gegangen! Seit October zum 1. Mal! Dann gehts ihm auch bald besser! - Zu Frau Mendel fahren wir nächste Woche mal; ich möchte sie auch noch sehen vor der Abreise. Sie ist ja eine Kusine von Heinrich Stern, Elschens Vater; aus Köln. - Daß es Manfred besser geht, freut mich herzlich. Seine Schwester kommt zu Euch in die Gruppe!!
Dieser Tage schreib Dir mehr. Mutti mußte fort.
Also [..] & viele Küsse
Dein Vater.
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