Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 1. April 1936

1.4.36.

Mein lb. Ernst!

Deinen lb. Brief, den ersten auf der Tel Aviv, haben wir erhalten & uns sehr damit gefreut. Unterdess werdet Ihr nun wohl gelandet sein & einen kleinen Begriff schon von Erez haben. Hoffentlich ist alles recht gut gegangen, mein Junge, & habt Ihr eine schöne Überfahrt & viel Freude gehabt. Die Seekrankheit hat Dich hoffentlich verschont. Wir sind ja so neugierig, einmal ausführlich alles von Dir zu hören, aber damit werden wir uns wohl noch gedulden müssen. Hast Du auch ordentlich gegessen, es gab doch sicher viel schöne Dinge? Nun seid Ihr sicherlich dabei, Eure Kisten auszupacken, pass nur schön auf Deine Sachen auf & halt alles hübsch beieinander. Ich kann ja nicht aufräumen kommen, jetzt musst Du für Dich selbst sorgen. Mit wem bist Du auf einem Zimmer zusammen? Übrigens haben wir Dir schon eine Karte nach Kirjath Anavim geschrieben, hast Du sie erhalten? Wenn Du nicht viel Geld übrig behalten hast, macht das nichts. Du hast ja in diesem Monat noch Geburtstag & schicke ich Dir sofort, wenn ich Deine genaue Adresse habe 10,- Mk. Onkel Sali auch & vielleicht auch sonst noch jemand. Dann bist Du ja ein reicher Mann & kannst tüchtig Geburtstag feiern. Heute schicke ich Dir einen Antwortschein mit, dafür bekommst Du eine Freimarke. Ob wir Dir immer einen Schein beifügen sollen, musst Du uns einmal

schreiben. Dann noch die Marken von Herrn Kranenberg, der Dich grüssen lässt.

Nun möchtest Du einmal etwas von hier hören. Alle möglichen Leute lassen Dich grüssen & Dir viel Gutes wünschen. Gerda war mehrere Male abends hier & hat sich mit Vater wieder ausgesöhnt. Auch sie ist heute abgedampft. Aber sonst ist es hier sehr still geworden & ist hier garnichts los gewesen. Fritz hockt noch immer zu Hause, Frau R. macht sich deswegen viel Sorge.

Gestern war ich mit Vater nach Ohligs, Solingen, Remscheid, Du kennst ja die Tour & haben ganz gut verkauft. Ende der Woche macht Vater Ferien bis nach Ostern. Er hat auch mal ein paar Tage Ruhe verdient. Den alten Herrschaften geht es wie immer, Grossvater tippelt wieder drauf los, bei schönem Wetter morgens & mittags. Auch auf der Hubertusstr. ist alles beim Alten.

Nun, mein lb. Pips, will ich für heute schliessen. Bleib hübsch gesund & brav, scheu keine Arbeit & lass Dir's recht, recht gut gehen. Allen, die ich kenne viele Grüsse
Dir herzlichste Küsse
Deiner Mutter.

Mein lieber Junge!

Nun bist Du schon in Deinem neuen Heim und hast Dich schon etwas in die neuen Verhältnisse gewöhnt. Ich beglückwünsche Dich aus vollem Herzen. Unsere Gedanken sind in jeder Stunde bei Dir. Mit Sehnsucht erwarten wir Deinen ersten Brief von dort. Deinen

l. Brief vom Schiff haben wir erhalten & bin ich etwas erstaunt über die Verhältnisse, von denen Du schreibst. Aber es ist ja auf den meisten Schiffen so ähnlich.

Du schriebst, daß Du die beiden Karten von der l. Mutter erhalten hast; ich hatte Dir nach Beth Olim aus Arnsberg einen Brief geschrieben, den Du nicht erwähnst; hast Du dann den nicht erhalten? - Über Deine Reiseeindrücke wirst Du uns ja wohl auch noch ausführlich berichten. Hoffentlich hat der Küchenchef der Tel-Aviv gut für Euch gesorgt; der Obersteward ist der Vetter eines Kunden von mir; ich schrieb Dir dies ja nach Triest, aber Du hast wohl den Brief nicht erhalten.

Wir werden Dir vor Jontef noch einmal schreiben, ob Du aber den Brief dann noch erhältst, ist sehr zweifelhaft. So wünsche ich Dir dann schon heute „gut Jontef”; ich denke, daß Ihr dann recht viel Freude haben werdet. Vielleicht seid Ihr dann in Jerusalem. Wenn es bei Euch, so wie bei uns, Mazzeklöße gibt, dann wünsche ich Dir recht guten Appetit dazu. Wir sind so begierig, über alles & jedes von Dir ausführlich Nachricht zu bekommen. Du wirst viel Arbeit haben, und alles so zu berichten, daß unsre Neugier befriedigt wird.

Ich habe heute meine Reise eingestellt, nachdem ich heute noch in Rheydt war. Ich freue mich auf einige Tage Ruhe, die ich dringend brauche. Zu den Feiertagen wird es still bei uns sein. An Ostern fahre ich vielleicht mit der

lieben Mutter ein bißchen ins Freie, wenns Wetter gut ist. Wir haben bisher schön Wetter gehabt, nur heute regnets. Draußen ist alles schon in Blüte. Paul hat unsren Garten umgegraben, die Apfelbäumchen & auch die beiden Pflaumenbäume blühen sehr schön; wenn nur kein Frost kommt. Soll ich Dir Stachelbeeren senden? Wir haben genug über.

Bei Euch ist ja wohl schon der herrlichste Frühling. Der alte Herr Kaufmann sagte mir, er habe aus Tel-Aviv Nachricht, daß seine Verwandten den ganzen Schabbat im Wasser verbringen. Habt IHr auch Schwimmgelegenheit?

Nun will ich schließen. Also, mein liebes Pipslein, alles, alles Gute! Laß Dich umarmen & küssen von
Deinem Vater.

Grüße Bekannte u. Unbekannte!