Erna Loewy an Sohn Ernst, 14. April 1936

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14.4.36.

Mein lb. Ernst!

heute früh kam Dein erster Brief aus Kirjath Anavim vom 4. ds. & danke ich Dir für all Deine Liebe. Für Deine guten Wünsche zu meinem Geburtstag & das schöne Blümchen noch meinen besonderen Dank, ich habe mich riesig damit gefreut. Als Dank schreibe ich Dir auch sofort wieder & lege 2 Scheine bei, damit Du uns recht oft schreiben kannst. Schicke nur immer alles an uns, ich besorge Deine Post an Lore & die andern dann weiter & Du hast keine doppelten Ausgaben. Ob Du schon Post von uns erhalten hast, erwähnst Du garnicht, an der Nummer oben siehst Du, dass wir Dir zum 6. Mal schreiben, auch einmal einen Postschein mitsandten. Jetzt, wo Ihr an Ort & Stelle seid, wird ja nun alles klappen & Du & auch wir werden nicht mehr so lange warten müssen, wo der Anfang nun gemacht ist. Die versprochenen 10.- habe ich heute morgen aufgegeben, hoffentlich erhältst Du sie recht bald. Grossmutter schickt sie Dir nächste Woche. Was Du bekommst, bringe nur auf die Sparkasse, damit Du später einmal was in Händen hast. Du schreibst, Du hättest wieder viel zu viel Sachen mit. Mein lb. Pipslein, Du darfst nicht vergessen, dass Du 2 Jahre damit auskommen musst & in der Zeit geht auch manches in die Brüche. Lege Dir heraus, was Du nötig hast & hebe

die Sachen, die zuviel sind, gut weg. Der Tag kommt, wo Du auch die brauchst & dann bist Du heilfroh, wenn Du Vorrat hast. Hast Du eigentlich nicht fotografiert? Du wolltest doch den Film schicken. Pass gut auf Deine Sachen auf & halte Ordnung. Hast Du eigentlich von den 10.- die Du mitgenommen hast, etwas übrig behalten, oder konntest Du sie unterwegs gebrauchen? Mit wem schläfst Du auf einem Zimmer? Ich möchte doch gerne alles wissen. Dass Rülps nicht bei Euch geblieben ist, wusste ich schon, bevor Dein Brief kam. Schade! Was macht Ilse. Mit ihrer Mutter bin ich viel zusammen. Heute hat mich auch Fritz Rosberg besucht. Er war über Ostern mit Jumbo & noch einigen Jungen 2 Tage in Siegburg. Da es hier empfindlich kalt ist, müssen sie unterwegs fürchterlich gefroren haben, aber sonst wäre es schön gewesen. Du kannst Dir sicher garnicht denken, dass wir hier noch ordentlich heizen müssen & es über Ostern sogar geschneit hat. Ihr seid wirklich zu beneiden; auch was Ihr alles gesehen & erlebt habt. Gestern Abend waren Fritz & Kurt Seligmann bei uns, die Dich herzlich grüssen lassen. Sonst ist alles beim Alten, Vater auch wieder auf Tour gefahren. Ich will Dich nicht viel fragen, obwohl ich tausend Fragen stellen & alles wissen möchte, aber wenn Du Zeit hast, wirst Du wohl von selbst ausführlich & alles schreiben. Dann will ich jetzt schliessen; Dir alles Gute wünschend bin ich mir vielen herzlichen Grüssen & Küssen Deine
Mutter