Erna Loewy und Familie an Sohn Ernst, 25. April 1936

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21.4.36
+ 25.4.36

Mein lb. Ernst!

Deinen lb. Brief vom 8, 9 & 10 ds. der am 12.- in Jerusalem abgestempelt ist, erhielten wir heute am 21. also brauchte er 9 Tage bis zu uns. Das ging doch einigermassen. Recht herzlichen Dank für Deine nette Schilderung, Du kannst Dir ja denken, mit welch einem Interesse wir alles von Dir wissen möchten. Nur von Deinen Kameraden, mit wem Du Dein Zimmer teilst, davon schreibst Du garnichts. Alles in Allem scheint Ihr es ja gut getroffen zu haben, das Essen, wenn auch ungewohnt, scheint doch gut & reichlich zu sein, gute Betten, kein Wassermangel, da könnt Ihr doch zufrieden sein. Und an die Arbeit wirst Du Dich auch schon etwas gewöhnt haben, diese Umstellung in Deinem Leben wäre ja auch hier gekommen, wenn Du hier in eine Lehre gekommen wärst. Ich weiss aus Erfahrung, dass einem im Anfang manchmal etwas nicht passt, aber wenn man im Leben etwas werden will, muss man überall feste zugreifen, mutig & mit gutem Humor. Na, darüber brauche ich mir wohl keine Kopfschmerzen zu machen, Du bist ja ein ganzer Kerl & wirst Deinen Weg schon machen. Wir vertrauen Dir! Von hier gibt es garnichts. Aus dem Schnee ist Regen geworden, der 24 Stunden anhält & und dann von neuem beginnt. Ein Hundewetter für April. Von Deinen Freunden habe ich niemanden gesprochen, auch Lore hat sich die ganze Woche nicht sehen lassen. Willst Du nicht mal einen kleinen Bericht an den Bund schreiben & beilegen, ich gebe ihn dann schon weiter. Deine Geburtstagswünsche

kamen nur einen Tag zu spät, er hat fein geklappt. Und das nette Blümchen, was Du mitsandtest, habe ich bei Grossmutter Loewy in den Rahmen gesteckt & steht hier auf unserem Schreibtisch. Hast Du unser Bild erhalten? Vater & Du, Ihr seid ja sehr gut, aber ich verderbe mal wieder den ganzen Eindruck. Mein Gesicht sieht aus wie ein Gummischwamm. Lore Lindenbaum gefällt es sehr gut in England; dagegen muss Ingelore Friedberg weniger zufrieden sein. Das Essen wäre sehr knapp & dann wohnt sie in einem Heim, wo sie ganz auf sich selbst angewiesen sei, unter lauter fremden & älteren Menschen; ebenso auf der Schule, die sie besucht. Sie geht nur zum Wochenende zu ihrer Schwester, ich glaube, sie wäre auch besser mit Euch gegangen. Ich weiss dies alles von Else Levy, die sie in London besucht hat. Ernst Hirsch muss auch tüchtig ran. Er muss Punkt 7 Uhr in Düsseldorf in der Fabrik sein, also schon um 6 Uhr hier wegfahren & von der schweren, ungewohnten Arbeit totmüde nach Hause kommen. Freund Fritz dagegen schliesst sich noch immer ein, wenn man bei ihm von Arbeit spricht. Frau R. ist sehr unglücklich darüber, denn sie sagt mit Recht, dass das nicht so weiter gehen kann & er nun endlich einen Beruf ergreifen muss. Frl. Elias lässt Dich vielmals grüssen, wie noch viel andere, die ich nicht alle aufzählen kann & nun will ich für heute Schluss machen.

25.4. Mein lb. Pipslein, dieser Tage fing ich den Brief für

Dich an & heute an Deinem Geburtstag wollen wir weiterschreiben. Es ist so nett, dass derselbe gerade auf Schabbes fällt & Du nicht zu arbeiten brauchst. Hoffentlich haben Dich unsere Geschenke erreicht, von Lore, Tante Jettchen & uns je ein Schokoladenpäckchen, dann 10,- von Onkel Sali & 10,- Mk. von uns. Die 10,- von Grossmutter bekommst Du auch dieser Tage, ich hatte ihr gesagt, sie möchte es erst an Deinem Geburtstag abschicken, damit Du nächste Woche auch noch eine Freude hast. Nun ist mein Sohn schon 16 Jahre, ich kann es garnicht glauben. Habt Ihr ein bisschen gefeiert? Hoffentlich gehen alle unsere guten Wünsche, die wir für Dich haben, in Erfüllung. Alles Gute & Schöne, mein Kind & viel herzliche Grüsse & Küsse Deiner
Mutter.

Heute bekamen wir unerwarteten Besuch, Onkel Hermann & Tante Bora überraschten uns & schläft zum erstenmal, seit Du weg bist, wieder jemand in Deinem Bett. Hoffentlich habt Ihr von den Unruhen drüben nichts zu spüren bekommen, die Zeitungen brachten allerlei Berichte. Nochmals Kuss Mutti.

Lieber Ernst!

Da ich gerade bei Deinen Eltern bin, will ich Dir und Erbschen auch die herzl. Grüsze senden. Erbse soll mir mal schreiben. Ich werde Dir bald einen Brief mit Antwortschein schicken. Ich habe Dir furchtbar viel zu erzählen. (Von wegen Kurt Fr.) Ich könnte mich über ihn totlachen. In meinem Brief werde ich es Dir ausführlich schreiben.

Ist eigentlich Dein Strohhut & der Spiegel ganz drüben angekommen?

Es ist ein Geheimnis. Bitte nicht weitersagen (an den Oberbürgermeister oder an wen??). Du bist der Einzigste dem ich es anvertraue. Also im kommenden Brief erfährst Du alles.

Nun Schlusz. herzl. Grüsze an Dich und Erbse und [..]
sendet Lore.

Mein liebes Ernstlein.

Du bist sicher erstaunt, dass wir schon wieder in Krefeld sind, aber die Reise ist ja immer nicht mehr so weit. Ich gratuliere Dir herzlichst zu Deinem 16.ten Geburtstage und wünsche Dir alles erdenklich Gute. Bleibe gesund und alles andere wird sich finden.

Uns geht es gut und haben wir uns fein eingelebt.

Lebe wohl recht herzliche Grüße & Küsse Deine
Tante Bora.

Lieber Ernst!

Obwohl wir uns leider gar nicht kennen gelernt haben, will ich nicht versäumen Dir ebenfalls meine herzlichen Grüße zu senden & gleichzeitig die besten Wünsche zu Deinem Geburtstage. Lasse es Dir recht gut gehen & wenn es Dir möglich ist wird auch mal ein Briefchen oder Karte nach Holland herüberflattern. Dein Onkel Hermann.

Lieber Ernst!

Die Gelegenheit benutzend, nehmen gerne Veranlassung, nochmals zu Deinem 16jährigen Geburtstage zu gratulieren & Dir alles Gute zu wünschen. Hoffentlich hast Du Deinen Ehrentag recht vergnügt verbracht. Wir sehen mit Spannung Deine weiteren Berichte entgegen & verbleibe in dieser Erwartung mit vielen Grüßen & tausend Grüßen
Dein Großvater & Deine Großmutter