Richard Loewy an Sohn Ernst, 28. April 1936

Geseke, den 28./4.36.

Mein lieber Junge!

Deinen Brief v. 12, 14/ds. Mts. habe ich noch am Sonntag gelesen, ebenso Deine Anlagen für Onkel Richard. Ich freue mich von Herzen, von Dir nur Gutes zu hören, ich sehe aus Deinen Briefen, daß Du zufrieden bist. Wenn Dir auch dort Klima & die Arbeit die erste Zeit etwas schwer fallen, mit der Zeit gewöhnt man sich an alles & vor allem, wenn man den guten Willen hat. Und immer wieder sage ich Dir, mein lieber, lieber Junge, verliere Deinen Humor nicht, wenns mal schwerfällt, nimm Deine [..] und spiel' Dir was! In Gedanken sind wir immer bei Dir & wir wünschen Dir immer das Beste.

Deine Nachrichten von dort interessieren uns natürlich sehr. Wir möchten ja alles recht genau wissen. Schreibe uns doch bitte über alles recht ausführlich & genau; beschreibe uns doch mal K. A. mit einer kleinen Zeichnung, wie dort alles liegt & aussieht. Schildere uns auch

einmal die internen Verhältnisse in der Kwuzah; die Lebensgewohnheiten, das Verhältnis der einzelnen Leute untereinander, und vor allem die Menschen selbst. Du hast doch eine so gute Beobachtungsgabe & kannst auch so schön schildern, - ich denke an Deinen Brief über Spalato! - Es sind tausende Dinge, die ich gerne wissen möchte. Schildere uns doch auch mal einen Tag, den Ihr verlebt. Auch wie die Leute sind, viel Alte oder Junge? Männer, Frauen, Kinder? Familienleben?

Wie war eigentlich Dein Eindruck bei der Landung? überhaupt des Landes? Wie ist die Einstellung dort zum Zionismus? Habt Ihr was von den Geschichten in Jaffa gemerkt? - Lebt Ihr eigentlich in Gemeinschaft auf der Kwuzah oder mehr für Euch? Fragen über Fragen!

Von Daheim schreibt Dir wohl die liebe Mutti alles. Ich bin seit Montag wieder auf Tour. Es ist diese Woche nichts los! - Wir haben seit 14 Tagen miserables Wetter! Vor 14 Tagen fiel unheimlich Schnee - in Lüdenscheid (heute fuhr ich durch Augustental & dachte dabei an Dich!) lag der Schnee 1 mtr hoch, seit 100 Jahren hat es dort nicht so geschneit. Von der Last des Schnees wurden die dicksten Bäume geknickt, aller Verkehr war unterbrochen, Telefondrähte zerrissen, die Züge konnten nicht verkehren!

II

Und Du hattest 41° Hitze! - Sei froh, mein Lieber, daß Du nichts davon gemerkt hast. - Das schlechte Wetter, - z. T. auch kalt - hat natürlich Einfluß aufs Geschäft. - Am Freitag ist Feiertag, 1. Mai; ich fahre deshalb schon Donnerstag Abend heim.

Anbei einen Antwortschein. Gebt Ihr diese in die Gemeinschaftskasse oder benutzt jeder seine Scheine selbst? Wir senden Dir ja ziemlich viel. Es wäre uns natürlich viel lieber, wenn Du Deine Scheine selber benutzen könntest; Du könntest uns dann doch auch oft schreiben.

Deine Grüße an Kronenberg können wir z. Zt. nicht bestellen, da er seit 14 Tagen für ein paar Wochen nach London gefahren ist, nach seiner Rückkehr habe ich wohl Gelegenheit ihn zu sehen.

In der [..] war ich nicht mehr, da ich ja am Montag nie zu Hause bin.

Zu Pfingsten habe ich vor nach Kronach zu fahren, ich muß un bedingt zu Meister - kann

damit nicht bis Juli warten. Mutter legt in diesem Jahre ohnedies keinen Wert darauf mitzufahren; die Verhältnisse in Kr. sind nicht so einladend. Wir werden also den Juli schön gemütlich daheim im Garten verbringen. Zu Pfingsten, wenn ich mit der Bahn nach Kr. fahre, fährt die l. Mutter dann zu Tante Bora & hat es dort dann auch sehr schön. Vielleicht von da mal zu Tante Röschen!

Bei uns im Garten ist es jetzt auch sehr schön. Wie ist es, soll ich Dir Ableger schicken? Ich habe soviel übrig, Stachelbeeren, Flieder u.s.w. Ich schicke Dir doch nur mal ein Päckchen, dann hast Du lebende Grüße von daheim & kannst sie dort wachsen & blühen sehen. Tante Bora nimmt sich auch welche für ihren Garten mit, auch von den Blumen von Tante Selma.

Daß der Arzt bei Deiner letzten Untersuchung nichts gefunden hat, freut mich; ich bin der bestimmten Hoffnung, daß Du Dich dort schon recht bald ans Klima gewöhnt haben & dann richtig aufleben wirst. Ich habe doch immer gesagt, daß Dir die körperliche Arbeit besser tun wird als die Schulbank. Auf alle Fälle ist dort Leben & die Arbeit in Gottes freier Natur gesund.

Was Du schreibst von der religiösen Einstellung der Kwuzah erstaunt auch mich; mache Deinen Einfluß bei der Alijah geltend, daß Ihr wenigstens haltet, was Ihr halten könnt. Erez muß auch wieder Zion sein! Was macht Alisah? Und bist Du nun auch Eli? Schreibe doch recht ausführlich. Wir schreiben Dir schon so oft wie möglich! - Nun will ich auch an die l. Mutti erst eine Karte schreiben. - Für Dich, liebes Pipslein, nun viel tausend Küsse & [..]! Dein Vater.