Richard und Erna Loewy an Sohn Ernst, 3. Mai 1936

10 oder 11, ich habs vergessen. Den nächsten schreibe ich mit 12.

Krefeld, 3. Mai 36.

Mein lieber Ernst!

Herzlichen Dank für Deinen Brief N'6 u. Deine an mich gerichtete Karte v. 23./4., die heute, Sonntag, ankam. Wir freuen uns alle von Herzen, wenn wir Nachricht von Dir haben & besonders, wenn Du so zufrieden schreibst. - Daß Dir auch die ungewohnte Arbeit Spaß macht, höre ich gerne; Du wirst Deinen Beruf auch noch lieben lernen; ist es denn nicht besser und schöner, als wenn Du in irgend einem Geschäft arbeiten müßtest?

Unser Paketchen hast Du also erhalten. Hast Du eigentlich Zoll zahlen müssen? Hast Du nun auch die andren Sendungen alle bekommen?

Deine Gefühle beim Betreten von Erez kann ich mir vorstellen; ich hatte danach gefragt, weil Du gar nichts darüber geschrieben hast. Ilse, deren Briefe wir stets lesen, aber ziemlich viel. - Wir erwarten deren Mutter & Oma übrigens gleich. - Ilse schreibt so ganz andre Briefe wie Du; nicht etwa, als wenn sie ungünstiger schriebe, aber in so ganz andrer Art.

Daß Ihr von den Unruhen nichts merkt, erfüllt uns mit Beruhigung. G. s. D.! Wir lasen übrigens in der Z-V-Zeitung, daß arabische Führer aus K. A. + [..] bei Eurem örtlichen Vorstand in K. A. gewesen sind, daß sie sich nicht an Unruhen beteiligen, sondern in Freundschaft mit Euch leben wollen. Gerade von K. A. steht das in der Zeitung.

Gib' uns bitte gerade über diese Dinge ausführlich Bescheid. Daß sich die alten Herrschaften natürlich schon Gedanken gemacht haben, kannst Dir denken. Wir wollen nun hoffen, daß alles so gut bleibt.

Gestern Nachm. war Lore bei uns, wir sind nach dem Kaffee zum Tulpenfeld & dann zum Forstwald mit dem Auto gefahren. Lore sagt, sie habe Dir gestern geschrieben.

Hast Du auch ihr Paketchen erhalten? Sie hat Dir auch einen Antwortschein beigelegt & möchte natürlich nun auch selbst einen Brief von Dir haben.

[..] hat mir auch die Platte Deines Bildes ausgehändigt. Ich habe nun noch 3 Bilder machen lassen, davon bekommt nun Onkel Richard eins, eins Kronach, eines Eindthoven. - Onkel Carl schreibt heute früh & erkundigt sich nach Dir. - Auch Carl Lindenbaum, bei dem ich heute war. Lore gehts sehr gut in England. -

Gestern trafen wir übrigens Herrn Härig am Tulpenfeld; er hat sich sehr eingehend nach Dir erkundigt & läßt dich vielmals grüßen! - Ernst Lamm hat uns noch nicht geschrieben, seit er wieder daheim ist; die Filme, die Du ihm sandtest, hätte er uns eigentlich bestätigen dürfen.

Von uns selbst ist nichts zu berichten; wir sind (eben sagt Mutter, Lore geht mit ihrer Mutter vorbei!Mutter sah sie vom Fenster aus!) G. s. D. gesund. Geschäft ist z. Z. schlecht; es muß endlich warm werden, dann wirds schon besser. - Morgen fahre ich wieder ins Münsterland. -

In unsrem Garten ists jetzt prachtvoll; die Kirschbäume, Apfel- & Birnbäume blühen so schön; auch der Flieder. - Habt auch Ihr viel Blumen? Die Stachelbeeren gehen schön vorwärts. - Wie ists, soll ich Dir welche schicken? - Tante Bora hat auch ein Paket Pflanzen mitgenommen.

Nun habe ich für heute nichts mehr. - Alles, alles Gute, mein Pipslein, & recht viele Küsse & [..]
Dein Vater! Grüße alle!

4./5. Mein lb. Ernst. Heute früh ist Vater wieder auf Tour gefahren & habe ich mal wieder das Reich alleine. Hoffentlich wird das Geschäft nun endlich etwas besser; nachdem es etwas wärmer geworden

II

ist. Eben habe ich im Garten gearbeitet, Dalien gepflanzt & Unkraut ausgezogen. Deine Kastanien sind riesengross geworden, sie gehen schon bis zur Mauer. So schnell bist Du nicht gewachsen. Hier blühen jetzt die Kirschen, bei Euch gibt es vielleicht schon welche zu essen.

Die Grüsse von Härich hat Vater ja schon ausgerichtet. Er ist mindestens ½ Stunde bei uns stehen geblieben & hat sich nach allem erkundigt. Lore war den ganzen Samstag Nachmittag bei uns. Ich habe ihre Dinge von früher erzählt, wie z. B. mit dem Regenschirm, den Du fliegen lassen wolltest, von der Gasfabrik, als Dich Ernst Hirsch verbrennen lassen wollte & wie Du mal das Kleid einer fremden Dame aufgerollt hast, als Du im Stadtgarten mit Herrn Alexander gesprochen hast. Sie hat sich halbtot gelacht & mich gequält weiter zu erzählen, bis ich's leid war. Dann war Dr. Blechen hier, der sich auch eingehend nach Dir erkundigt & vielmals grüssen lässt. Als er wegging hat er sogar Geld in die K.K.L. Büchse geworfen. Was sagst Du dazu. Dann war ich bei Rosbergs & habe Fritz Deinen Brief gebracht. Frau Rosberg hat wieder jämmerlich über Fritz geweint. Er sträubt sich mit Händen & Füssen, einen Beruf zu ergreifen & sie sagt, er kann doch unmöglich weiter zu Hause hocken & nichts lernen. Das ist dort auch ein trauriges Kapitel, die Leute tun mir sehr leid. Fritz erzählte, Jumbo & Fritz Reis würden wahrscheinlich aus dem J.P.D. austreten, er glaubt, dass der ganze Bund hier zusammenknackst. Pinchas aus Essen käme schon lange nicht mehr,

um das Heim zu leiten. Mit andern Worten also Bruch. Inge Traub ist noch immer hier & von Ester Gauperts wussten wir, dass Rülps nicht mehr Euer Führer war. Sie hatte es durch eine Freunding von Kakel gehört. Wer hat denn darüber bei Euch zu bestimmen & wer hat den neuen eingesetzt? Wer ist bei Euch Oberbürgermeister, wie Vater immer sagt. Über den Empfang in Erez & wer Euch in Kirjat A. eingeführt hat, hast Du eigentlich garnichts geschrieben. Hat Dich eigentlich Willi Böhm besucht. Onkel Sali schrieb mal, er sei nach Erez & wollte auch einmal zu Dir. War eigentlich Deine Ausrüstung gut, die Sachen alle richtig? Ich möchte Euch gerne einmal sehen, wie Ihr ausseht. Hast Du Dir schon mal die Haare schneiden lassen. Und nun ein paar Gewissensfragen lb. Pipslein; hältst Du Dich auch immer noch so schlecht & pflegst Deine Zähne gut? Es ist das alles so wichtig, lasse Dich bitte nicht hängen & pflege trotz Arbeit doch Deinen Körper. Denke immer daran, was Deine Mutti sagen würde, wenn Du krumm gehst oder unordentlich bist. Sei lieb & achte auf Dich, mein Kind.

Vater war gestern mächtig stolz, als er Deine Karte bekam die nur für ihn war. Er hat allen erzählt „ich habe von meinem Sohn eine Karte”. Ich habe ihm aber die Freude gegönnt, er hat die Woche über genug Ärger, dass ihm das wohl zu gönnen ist. Mein Latein ist für heute zu Ende. Ich hoffe bald wieder von Dir zu ören & bin mit vielen guten Wünschen & tausend Küssen Deine
Mutter.

Was macht die Mundharmonika?

Grüsse Ilse & wo steckt Karuso?